
Countdown bis zum Ende des Megaverkaufsereignisses - auch außerhalb Chinas kommt der Singles' Day gut an (Screenshot von www.alibaba.com)
Seit 10 Jahren fiebert die kauffreudige Netzgemeinschaft jedes Jahr dem in China als „Doppelte 11“双十一 und im Ausland als „Singles‘ Day“* bekannt gewordenen Onlinegroßverkaufsereignis am 11. November entgegen. An diesem Tag verkaufen zahlreiche Händler ihre Waren im Netz teils weit unter dem handelsüblichen Preis. Ursprünglich 2009 vom chinesischen Internetriesen Alibaba auf seiner Verkaufsplattform Taobao ins Leben gerufen, ist es seit 2012 das weltweit umsatzstärkste Verkaufsevent und wächst von Jahr zu Jahr. 2019 machte Alibaba mit seiner Plattform Taobao-Mall am Singles‘ Day fast 35 Milliarden Euro Umsatz.
Einkaufstag der Nation
Dies ist nicht zuletzt der Fall, da viele Chinesen die reduzierten Preise als äußerst attraktiv empfinden. So auch die Netzbürgerin „Sich hier gut vergnügen und daher nicht an zu Hause denken“, die auf der Diskussionsplattform Zhihu beschreibt, wie sie sich eindeckt.
Ähnlich nutzt diesen Tag auch ein anonymer Kommentator auf Zhihu, der von seiner Ausbeute aus dem letzten Jahr berichtet.
Der Inhaber eines inzwischen gelöschten Kontos auf der Plattform Douban sieht gewisse Waren an anderen Tagen des Jahres sogar als unbezahlbar an.
Umsätze als Wohlstandsindikator?
Auf diversen Onlineforen wird immer wieder die Frage diskutiert, wie die Menschen die jährlich steigenden Umsätze an diesem Tag beurteilen und ob sich aus diesen vielleicht sogar etwas über den Wohlstand im Land lernen lässt. Netizen „tat3406“ glaubt, dass die Internationalisierung zur zunehmenden Popularität beiträgt.
Mitdiskutantin Li Lei glaubt, dass die steigenden Absätze nichts über die finanzielle Lage des Volkes aussagen.
Die Ansicht, dass die finanzielle Hauptlast der Chinesen jenseits der an diesem Tag angebotenen verbilligten Waren liegt, teilen auch andere. So meint etwa Netzbürger „Arthur“:
Am Singles‘ Day gibt es keine Ermäßigung auf Wohnungen. Dislike!双十一房子不打折,差评
Konsum als letzte Freiheit?
Einige wenige sehen in dem Kaufrausch sogar eine politische Komponente. So stellt der Onlineautor Zeng Yuli die These auf, dass aufgrund der wenigen Möglichkeiten, sich aktiv in der Gesellschaft einzubringen, den Menschen der Konsum als „letzte Freiheit“仅有的自由 bleibt, in der sie sich selbst verwirklichen oder mit der sie unerreichbare Sehnsüchte kompensieren. Einige bekunden ihre Zustimmung, so etwa „Wildpferde im Halbdunkel“.
Mir gefällt der Text, den du geschrieben hast, ziemlich gut!我还挺喜欢你写的文章的
Die meisten halte die These aber für gewagt, wie etwa „Geh, geh“ .
Glaubt man Netizen „Taylor“, so sind es viel pragmatischere Gründe, die die Menschen zur Teilnahme treiben.
Wenn die Diskussionen eins zeigen, so ist dies, dass die „Doppelte Elf“ niemanden kalt lässt. Und so fasst das von Netzbürger „Fang Gongjian“ geteilte Bonmot die Situation humorvoll zusammen:
*Der Singles‘ Day wurde am 11.11.1993 von Studenten der Universität Nanjing als „Junggesellenfeiertag“ eingeführt, an dem man sein Single-Dasein entweder feiert oder versucht, dieses zu beenden. Bei der Wahl dieses Datums spielte die Zahlensymbolik eine Rolle, wobei die „1“ für einen Single steht. Über das Internet wurde dieser Junggesellentag populär und 2009 begann unter Alibaba dessen Kommerzialisierung. Weitere, detailliertere Informationen finden sich auf Wikipedia.
Zum Weiterlesen:
Lisa Krauss: „Internetshoppingriese Alibaba: Amerika-Expansion löst Kontroverse aus“, Stimmen aus China, 25.06.2014.
Florian Jung: „Mit Handy, ohne Bargeld – Quo vadis, chinesische Konsumgesellschaft?“, Stimmen aus China, 24.08.2017.
ap, Bloomberg: „Alibaba bricht milliardenhohen Verkaufsrekord am Singles’ Day“, 11.11.2018
Besser hätte man den Kaufrausch nicht recherchieren und knapp auf den Punkt bringen können.
Da wird auch mal wirklich gefahr, was chin. Käufer über diesen Tag denken und warum sie mitmachen.
Ich meine, das Leute an diesem Event teilnehmen weil ihnen das Geld fehlt die benötigten Sachen an den restlichen 364 Tagen zu kaufen. Für eine besonders florierende Wirtschaft scheint mir das aber kein Indiz zu sein. Wenn Käufer evtl. das ganze Jahr sparen um sich dann an einem bestimmten Tag online auszutoben, scheint wohl doch nicht so viel Geld vorhanden zu sein, wie man vorgibt. Wenn wirklich ausreichend Geld in Umlauf wäre, dann würden die Leute nicht jeden Taler extra umdrehen müssen.
Da spielt die chinesische Mentalität auch eine Rolle. Viele Leute sparen einfach gerne. Selbst wenn sie Millionäre sind, freuen sie sich über jeden gesparten Cent.
Es ist ja eine psycologische Binsenweisheit im Werbewesen, dass man dem Menschen nur clever suggerieren muss, dass er etwas billiger bekommen kann, als sonst, und schon rattert das Gehirn:“Da muss ich hin, das will ich haben, den Vorteil lass ich mir nicht entgehen.“
Schön illustriert in Florians Artikel mit Zitat-Belegen. So stell ich mit Journalismus vor.