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Mit Handy, ohne Bargeld – Quo vadis, chinesische Konsumgesellschaft?

„Wechat Pay"-Schriftzug auf der Vorderseite eines zu Werbezwecken verteilten Jutebeutels (Quelle: Eigenes Foto)

Mobile-Payment-Dienste sind praktisch: Statt Bargeld in ausreichender Menge mitzuführen oder sich ein Kreditkartenterminal anzuschaffen, reicht das Scannen eines QR- oder eines Barcodes, um eine finanzielle Transaktion abzuwickeln. In China steigt die Verbreitung dieser Technik rapide. Wie nehmen das die Nutzer auf?

 

Ganz gleich ob beim Taxifahren, im Supermarkt oder in Restaurants – oft genügt das Scannen eines QR-Codes zur Bezahlung, Bargeld wird immer weniger wichtig. Online-Bezahldienste wie Alipay (支付宝) oder Wechat Pay  (微信支付) erobern viele Bereiche des Alltagslebens der Chinesen. Jack Ma, der Gründer der weltweit operierenden Alibaba Group, prophezeit sogar, dass China innerhalb von fünf Jahren in eine bargeldlose Gesellschaft无现金社会 übergehen wird.

Während Alipay eine eigene, seit 2004 existierende App des Alibaba-Konzerns ist, handelt es sich bei Wechat Pay um eine erst 2014 eingeführte Zusatzfunktion der populärsten chinesischen Chatplattform Wechat, einem Produkt des chinesischen Internetgiganten Tencent. In beiden Fällen wird eine Kredit- oder Bankkarte mit der App verknüpft und bezahlt wird entweder durch Scannen des QR-Codes des Verkäufers oder dadurch, dass der Leistungsanbieter den QR-Code des Käufers scannt.

 

Mobile-Payment im Alltag

 

Netizen „Daizi liebt Xingxing“ empfindet die digitale Bezahlung als dem traditionellen Bargeld überlegen:

 

Wir hier nehmen auch Münzen an, aber Alipay ist viel praktischer. Münzen sind viel zu dreckig. Und mit meinem Sauberkeitsfimmel muss ich mir nach jeder Berührung gleich die Hände waschen. Neu sind sie ja auch nicht…我们这儿都收硬币哩,还是支付宝最好用!钱硬币太脏了,洁癖太严重,摸到就洗手!又不是新的

 

Auch einflussreiche Medien fördern die Ausbreitung der Mobile-Payment-Dienste und stellen sie in einem überaus positiven Licht dar. So veröffentlicht die größte, eher liberal ausgerichtete chinesische Wochenzeitung Southern Weekly einen Artikel, in dem die weitere Entwicklung aus volkswirtschaftlichen Erwägungen heraus betrachtet wird. Daraus resultiert eine zustimmende Haltung der Zeitung für die Ausbreitung der mobilen Dienste.

 

Viele Netizens sehen die Mobile-Payment-Dienste als etwas Neues an, das sich im Alltag zunächst bewähren muss. So unterstützen viele den Kommentar des Netizens „Der Wind bläst, das Pferd rennt, der Ochse kommt und isst Gras“:

 

Es geht darum, das Leben der Verbraucher zu erleichtern. (…) Die Aufgabe der Medien sollte es sein, die Regierung gut zu überwachen und das Vermögen der Menschen zu beschützen. Die Frage, wer (von der Digitalisierung) profitiert und wer verliert, sollte der Markt entscheiden.消费者方便就行,管他谁输谁赢,你媒体就应该监督政府做好监管,保护好居民财产,至于谁输谁赢,那是市场决定的。

 

Darüber hinaus sind auch kritische Stimmen von Nutzern zu hören. Kommentator „Ein Leben in den Tag hinein wie eine freie Brise“ berichtet, wie die Nutzung von Mobile-Payment-Diensten seine Konsumgewohnheiten geprägt hat:

 

Seitdem WeChat Pay und Alipay in Mode gekommen sind, lebt es sich zwar einfacher, aber das Geld rinnt viel schneller durch die Finger. Es ist zu einer bloßen Zahl geworden, sodass hunderte und tausende (Renminbi) einfach davonfließen. Wenn ich mehrere hundert oder tausend Renminbi als Bargeld mit zum Shoppen nehmen würde, bin ich davon überzeugt, dass man dann schon nachrechnen und jede Ausgabe schmerzen würde.自从微信支付,支付宝兴起流行,虽然更方便了,但是也发现钱也不那么容易攥在手里了,成了一个数字成百上千的流走!如果拿着几百上千的现金去购物,我相信之前在花钱买东西的时候会计算会心疼

 

Auch über die Grenzen Festlandchinas hinaus bieten inzwischen viele Anbieter die Möglichkeit per Scan zu bezahlen. So versuchen unter anderem Händler in Hong Kong ihre Kundenzahlen durch mobile Bezahldienste zu erhöhen. Doch der Service hat noch Kinderkrankheiten. So rät Netizen „Fan I Zai“:

 

Wenn man nach Hong Kong fährt, sollte man schon eine Kreditkarte und ein- bis zweitausend Hong Kong Dollar (ca. 100-200 €) mitnehmen. Es gibt noch rückständige Restaurants, in denen man selbst bei einem Verzehr von mehreren hundert Dollar noch nicht mal per Karte bezahlen kann. Hier auf dem Festland lebt man angenehmer. Solange das Handy noch Akku hat, kann man sich ohne weitere Probleme in der Stadt bewegen.去香港还是带张信用卡和带一两千港币,有的坑爹饭店,吃了好几百没有刷卡。还是现在的大陆方便,手机保持有电,在城市里穿梭,基本无忧

 

Bargeld – noch überlebenswichtig

 

Da die Vorteile der neuen Technik für viele die Nachteile überwiegen, gehen viele ganz ohne Bargeld vor die Tür. Dass dies nicht immer eine gute Idee ist, erzählt uns „Gegrillte Schweinebauchscheiben mit Cayennepfeffer-Geschmack“, der Glück im Unglück hatte:

 

Nach dem Ballspiel hatte ich so viel Durst, dass ich Leitungswasser* getrunken hätte. Auf der Straße habe ich dann einen älteren Mann gesehen, der Getränke verkaufte. Allerdings hatte er weder WeChat Pay noch Alipay und ich hatte absolut kein Geld dabei, was mich sehr traurig machte. Und dann meinte dieser ältere Herr, dass wir uns das Wasser einfach nehmen sollten. Es würde auch reichen, wenn wir am nächsten Tag das Geld vorbeibrächten. Es gibt wirklich noch gute Menschen! Morgen, wenn ich ihm das Geld gebe, werde ich ihm ein langes Leben wünschen.打完球,渴得要喝自来水,路上遇见个卖水的老爷爷,可是他没微信支付也没支付宝支付,没带钱十分难过,然后爷爷说你们拿去喝吧,明天再给我钱,人间有真情人间有真爱,明天还钱的时候要祝爷爷长命百岁

 

Die Zukunft ist mobil

 

Auch wenn solche Beispiele zeigen, dass man in China noch nicht ganz auf Bargeld verzichten sollte, geht der Trend doch zu einer zunehmenden Digitalisierung. Und für „Shaolin Zhu Wudangpai Banshichu Dashen Fuwang Lama“ folgt diese Entwicklung sogar einer Art Naturgesetz:

 

Bargeldloses Bezahlen ist klar im Trend. Vom Altertum bis heute sind die Bezahlformen immer praktischer geworden. Daher kann es auch nicht sein, dass die Entwicklung beim heutigen Papiergeld abgeschlossen ist.无现金是趋势,从古到今支付方式都是越来越便捷,不可能最终只停留在纸币这里。

 

 

 

 

*Anmerkung: Aus hygienischen Gründen ist es nicht empfehlenswert, in China Leitungswasser zu trinken.

 

 

Zum Weiterlesen:

 

Einkaufstüten: Chinas Bürger haben die Qual der Wahl

 

Big Data in China: Wie China ein soziales Schufa-Register schaffen will

 

Stephan Scheuer: „Chinas Bezahlsysteme sollen Deutschland erobern“, handelsblatt.com, 10. Juli 2017.

 

 

 

 

 

 

 

 

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