Die chinesische Regierung plant die Einführung eines landesweiten Bewertungssystems für ihre Bürger. Mithilfe von Daten soll persönliches Betragen und Kreditwürdigkeit ermittelt werden, wobei Musterbürger Sonderleistungen und Vergünstigungen erhalten. Ab 2020 soll dieses System verpflichtend sein. Was halten Chinas Netizens von dieser Idee?
Ab 2020 plant China die flächendeckende und verpflichtende Einführung eines sozialen Bewertungssystems („social credit system“社会信用系统), welches das öffentliche Verhalten, das persönliche Online-Einkaufsverhalten sowie die finanzielle Kreditwürdigkeit mithilfe von Auswertungen großer Datensätze (Big Data) bewertet. Eine Art chinesische Schufa mit erweiterter Kompetenz für den sozialen Bereich.
Lokale Pilotprojekte zeigen, dass z.B. Schwarzfahren, das Überqueren der Straße bei Rot oder nicht gezahlte Einkaufsrechnungen zu einer negativen Bewertung führen können. Konsequenz? Beispielsweise das Verbot des Erwerbs von Flug- und Bahntickets. Im Umkehrschluss erhalten Bürger mit positiver Bewertung verschiedene materielle Belohnungen.
Pilotversuch von Alibaba
Das Bewertungssystem Sesame Credit芝麻信用 der Technologie-Firma Alibaba ist ein erster Versuch, Internetkunden zu bewerten und Anreize für gutes Verhalten zu setzen. Eine Weibo-Nutzerin berichtet von folgender positiver Erfahrung im Krankenhaus:
Netizen „Alter Wang von Pikapika“ erzählt auf Weibo von einer Erfahrung mit öffentlichen Leihrädern:
Positive und negative Anreize
Noch detaillierter geht Weibo-Nutzer Han Jiangxue auf die Vorzüge des Systems ein und ist sich der negativen Folgen schlechter Bewertungen bewusst:
Die Vorzüge des Bewertungssystems wecken natürlich Neugier und Begehren bei vielen chinesischen Bürgern, da Sonderbehandlungen und Vergünstigungen im Vergleich zum Rest der Bevölkerung einen besseren Status bedeuten. So fragt ein Nutzer neugierig im Internet:
Transparenz und Verzerrung
Allerdings stellen auch einige Bürger den Vorteil eines solchen Systems in Frage, denn Bewertungen werden nicht transparent vergeben.
Noch einen Schritt weiter geht dieser Netizen, der nach einem großen Online-Betrugsskandal Ende letzten Jahres eine Verzerrung der Realität durch Daten beklagt.
Grenzen notwendig
Das Bewertungssystem zu regelkonformen Bürgerverhalten in China steckt noch in den Kinderschuhen, doch ein Trend ist bereits absehbar. Die Frage ist, wo die Regierung langfristig die Grenze zieht. Wirkt sich künftig eine negative Bewertung der Eltern auf das Auslandssemester der Kinder oder die falsche politische Meinung auf die Erlaubnis zum Kauf einer Wohnung aus? In den sarkastischen Worten von Weibo-Nutzer „Dummes, kleines Kind Online“ wird bereits deutlich, wie China versucht, die Gesellschaft in gut und schlecht zu unterteilen.
Ich habe gehört, dass man bei Sesame Credit eine Bewertung von 750 braucht um etwas kommentieren zu können. Dann habe ich meine Bewertung gesehen und ein total schlechtes Gefühl bekommen.听说支付宝需要芝麻信用750分才能评论 看看我的积分 我整个人都不好了
Zum Weiterlesen:
Hendrik Ankenbrand, Millionen Chinesen auf schwarzer Schuldnerliste dürfen nicht reisen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Februar 2017
Felix Lee, Eine Schufa für das Leben, Der Freitag, 8. Juni 2016
Stanley Lubman, China’s ‘Social Credit’ System: Turning Big Data Into Mass Surveillance, Wall Street Journal Blog, 21. Dezember 2016