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Weibo der Woche #5: Handyvideo von ertrinkendem Jungen entfacht Diskussion

Weibo-Seite zum Ertrinken des 15-jährigen Jungen © Screenshot 28.05.2015

Ende Mai 2015 verbreitete sich beim sozialen Netzwerk Weibo ein Handyvideo, das für Entsetzen sorgte: Jugendliche filmen und verspotten das Ertrinken eines nur wenige Meter entfernten Mitschülers. Weibo-User fragen sich, wer dafür verantwortlich zu machen ist.

 

Stirbst du etwa?毛毛没死啦?“ ruft ein Jugendlicher einem im Wasser um sich schlagenden Mitschüler zu und lacht dabei. Nur wenige Sekunden später ertrinkt der Junge. Zwei Tage danach verbreitet sich im Internet ein Video auf dem diese Szene festgehalten ist. Nachrichtensender zeigen das Video ebenso.

 

Bei Weibo diskutieren seitdem zehntausende Netizens den Fall, der sich im südchinesischen Yueyang zugetragen hat.

 

Einige geben nicht allein den Jugendlichen die Schuld. Weibo-Userin „Zhu Yanqi“  kommentiert:

 

Das chinesische Bildungssystem hat versagt!!! 中国教育的失败!!!

 

Und Weibo-Mitglied „Elf Bohnen“ meint:

 

Was für eine kranke Gesellschaft. Wenn ich daran denke, schüttelt es mich! 这个病态的社会,想想就感觉全身发冷!

 

Ein anderer Teil der Weibo-Mitglieder macht jedoch allein die Jugendlichen verantwortlich. „Mamixiong“ schreibt:

 

Warum hast du dem Jungen nicht geholfen? Du wirst ein schlechtes Gewissen haben, weil du dieses Menschenleben weggeworfen hast. 你为什么不去帮助那个男生(…)良心上过不去因为就在你的手里丢掉一条性命

 

Manche gehen einen Schritt weiter und wollen die Mitschüler des Ertrunkenen im Internet lynchen und sämtliche persönliche Details im Netz verbreiten – ein chinesisches Internetphänomen, das „Menschenfleisch-Suchmaschine人肉搜索“ genannt wird.

 

Sie meinen die Macherin des Videos ausfindig gemacht zu haben und verbreiten ihren Namen und Profilbilder bei Weibo. Außerdem fordern sie: „Wir brauchen noch ihre Adresse还有XX家地址(…)

 

Worauf Weibo-Nutzerin „Janice“ droht:

 

Nimm dich in Acht! Wir finden dich. (…) 小心点别人来找你

 

Fälle unterlassener Hilfeleistung haben schon häufig den Zorn der Weibo-Mitglieder entfacht. Erst Anfang Mai hatte ein Mann, der auf offener Straße ein Kind verprügelte während Passanten die Szene ignorierten, für Entsetzten gesorgt. Auch dieser Fall bestimmte für ein paar Tage die Diskussion bei Weibo, geriet dann aber schnell in Vergessenheit. Ein Mittel, um solchen Fällen vorzubeugen, scheint derzeit nicht in Sicht.

 

 

 

Zum Weiterlesen

 

Marie-Luise Abshagen: „Gesetz für barmherzige Samariter“– Grundlage für Mitmenschlichkeit und Rechtssicherheit“, Stimmen aus China, 07.08.2013.

 

Lisa Krauss: „„Menschenfleisch-Suchmaschine“ – Notwendiges Kontrollorgan gegen Korruption?“, Stimmen aus China, 18.06.2013.

 

Lisa Krauss: „„Menschenfleisch-Suchmaschine“ — Zwischen Lynchjustiz und freier Meinungsäußerung“, Stimmen aus China, 17.06.2013.

 

 

„China matters: Ein Informationsportal für die Zivilgesellschaft“, mit freundlicher Unterstützung durch die Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen

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