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Konfuzius im Fokus: Professorin Yu Dan macht die Klassiker populär

Auf der Internetseite des Kulturministeriums wird Yu Dans Arbeit gepriesen © Screenshot

Kaum eine Frau ist im chinesischen Fernsehen und auf dem Büchermarkt so präsent wie Yu Dan于丹. Sie erklärt einem Millionenpublikum, was es mit seiner Kultur und Tradition auf sich hat. Immer wieder steht sie im Mittelpunkt wenn es darum geht, was Klassiker wie die Schriften von Konfuzius für das heutige China bedeuten.

 

Alte, teilweise schwer verständliche, oft in Vergessenheit geratene Literatur und Kultur ist ihr Thema. Yu Dan hat es geschafft, zahlreiche Chinesen wieder für Konfuzius zu begeistern. Seit knapp zehn Jahren ist sie gefragt wie kaum eine andere. Sie arbeitet an der Universität, hält in ganz Asien Gastvorträge, schreibt Bücher und tritt zudem in der Fernsehsendung „Schriftzeichenheld“ auf.

 

Wie jeder Chinese an ihrem Dialekt erkennen kann, stammt die 49-Jährige aus Peking. Dort lebt und arbeitet sie noch immer. An einer der renommiertesten Universitäten des Landes, der Pädagogischen Universität Peking北京师范大学, machte sie erst ihren Master in chinesischer Literatur und dann ihren Doktor im Bereich der Medienwissenschaften. 2006 erschien ihr erstes Buch „Konfuzius im Herzen于丹《论语》心得“. Der Bestseller ist eine Mischung aus moralischem Ratgeber, Alltagsanekdoten und Interpretation der ca. 2.500 Jahre alten Überlieferungen, die auf Konfuzius zurückgehen sollen.

 

Konfuzius interpretieren

 

Noch in den 1980er Jahren galten die Klassiker wie die Lehren des Konfuzius als ideologisch falsch. Doch die Zeiten haben sich geändert. In einem Interview erzählt Yu Dan, welchen Zweck Konfuzius heute erfüllen kann.

 

Chinas traditionelle Kultur ist aus zwei Gründen wertvoll: Wenn die traditionelle Kultur am Leben ist, profitieren wir persönlich davon. Außerdem können wir sie international (verbreiten). Ich möchte, dass die chinesische Kultur noch mehr Menschen prägt.中国传统文化的价值在于两点,第一,传统文化是有生命的,对我们个人是有益的;第二是可以走向国际化。想让中国文化能够影响更多的人(…)

 

Darüber hinaus erläutert sie, warum es wichtig sei, einem breiten Publikum die Werte der Klassiker zugänglich zu machen.

 

Weshalb geschehen trotz steigendem BIP und Lebensstandard noch immer so häufig Gräueltaten? (…) Die chinesische Kultur gehört den gewöhnlichen Leuten und ist nicht nur eine Elfenbeinturmkultur der Eliten. Wir müssen Vertrauen in die eigene Kultur schaffen und auf dieser Grundlage zwischen Gut und Böse und falsch und richtig unterscheiden.为什么我们今天GDP上去了,物质生活繁荣了,但是伤天害理的事情却频繁出现。 (…)中国文化是属于老百姓的文化,而不仅仅是象牙塔里的精英文化,我们要做的是让中国人信任自己的文化,用中国人的善恶是非观进行判断…。

 

Nicht nur durch den belehrenden Ton, auch inhaltlich erinnert Yu Dan an einen Parteikader. Dass die chinesische Regierung mit Konfuzius und seinen Instituten Auslandspropaganda betreibt, um, ähnlich wie Deutschland mit seinen Goetheinstituten, Kultur, Sprache und Ansehen des Landes zu bewerben, ist schon lange kein Geheimnis mehr.

 

Kritik an Yu Dan

 

Yu Dan greift bei ihren Ratschlägen moralische Kernkonzepte der Parteipropaganda auf: Fokus auf die einfachen Leute und immaterielle Werte wie Rechtschaffenheit und Anstand. Professor Daniel A. Bell*, der in Peking lebt und lehrt, wirft ihr deshalb vor, sie sei eine Marionette der Partei. So gehe sie z.B. absichtlich zu wenig darauf ein, was Konfuzius meint, wenn er von einem Edlen君子 als vorbildlicher Herrscher spricht; dieser soll dem Volk ein gutes Beispiel sein. Erst seine moralische Überlegenheit qualifiziert ihn zum Regierenden. Das jedoch würde die Kommunistische Partei in Schwierigkeiten bringen. Mit immer neuen Skandalen, selbst in der Parteispitze, gilt sie schließlich nicht gerade als moralisches Vorbild.

 

Und tatsächlich scheint die Kritik nicht weithergeholt. Yu Dan ist nicht nur Mitglied der KPCh, sie wird auch offiziell von der Partei angepriesen. Auf dem Internetportal des Kulturministeriums wird ihre Arbeit ausführlich vorgestellt.

 

Ein weiterer Kritikpunkt vieler Fachleute ist, dass Yu Dan ungenau arbeite und historische Fakten vertausche. Deshalb, so erklärt Professor Yuan Weishi in einem Blogeintrag, gehe er in seinen Vorlesungen nicht auf Yu Dan ein.

 

Yu Dan hat wiederholt erklärt, was sie schreibt und bezieht sich auf ihre eigenen persönlichen „Eindrücke“ und „Gefühle“. (…) Allerdings ist nicht jedes dieser Gefühle richtig.于丹又解释说,她讲的是自己个人的“心得”、个人的“感悟”(...)但不是每一种感觉都正确。

 

Begeisterung für Yu Dan

 

Trotz aller Kritik ist die Begeisterung für Yu Dan und ihre Bücher echt. Ihre Fähigkeit, den oft unverständlichen Aphorismen der Klassiker einen Sinn zu geben und dabei einen Bezug zum modernen China herzustellen, kommt gut an. „Winterpflaume begrüßt den Frühling“ ist eine von Yu Dans zahlreichen Fans. Auf ihrem Blog schreibt sie, welche Moral sie aus den Büchern von Yu Dan zieht.

 

Yu Dan fügt der vielschichtigen alten Literatur einfache aber wunderschöne Erklärungen hinzu. Dadurch habe ich verstanden, dass letztlich jeder sein Schicksal selbst in der Hand hat.她把繁杂的古典文学用通俗易懂的美丽的文字加以注释, 也让我懂得了(…) 最终每个人的生命成全,就是每个人的生命都在我们自己手中。

 

 

 

___

 

*Daniel A. Bell: China’s New Confucianism: Politics and Everyday Life in a Changing Society, 2010, S. 171-174.

 

 

Zum Weiterlesen

 

Florian Jung: „Eine Seele für die chinesische Bildung – Konfuzius soll es richten“, Stimmen aus China, 11.11.2013.

 

Susanne Mack: „Zeitlose Lebensweisheiten Yu Dan: ‚Konfuzius im Herzen‘“,  Deutschlandradio, 13.01.2010.

 

Ellen Deng: „Konfuzius : „Akademische Superfrau“ Yu Dan erklärt den Philosophen“, Stern, 28.09. 2009.

 

Kategorien: Kultur, Politik, Tags: , , , , , , . Permalink.

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