Vorbild „House of Cards“: Chinas TV-Serien auf dem Prüfstand

Vorbild „House of Cards“: Chinas TV-Serien auf dem Prüfstand

Wie lange noch Erfolgsmodell? Großstadt-Liebeskomödien à la „Lass uns heiraten“ (2013) © Wikimedia Commons

Westliche Fernsehkost hat in China viele Fans. Chinas Serienmachern führt sie oft die Mängel eigener Produktionen vor Augen. Von einer US-Serie schwärmen sie besonders: House of Cards.

 

Zu viel, zu oft, zu ähnlich

 

„Papa, ist die Serie gut?“, fragt Chinas „Schwiegertochter der Nation“ Hai Qing ihren vor dem Fernseher hockenden Vater. „Nein“, grummelt dieser. „Warum schaust du sie dann weiter?“ „Weil keine anderen Serien laufen.“ Diese Anekdote erzählt Hai der Zeitschrift China Weekly, die in ihrer Ausgabe vom 05. Mai 2014 den Status quo chinesischer TV-Serien unter die Lupe nimmt. Neben der Schauspielerin Hai Qing kommen weitere Insider zu Wort, die als Regisseure, Produzenten oder Drehbuchautoren die Entwicklung der Branche miterlebt und geprägt haben. Sie hat zu kämpfen – mit der Überproduktion, dem Sendeschema und dem Mangel an Qualität. Darüber beschweren sich auch viele Zuschauer. Ein Baidu-Nutzer trauert alten Zeiten nach.

 

Seit den letzten Jahren kann man sich die Serien kaum noch anschauen. Die Geschichten sind idiotisch und die Schauspieler agieren unnatürlich. Die Serien sehen zwar viel besser aus als früher, fesseln einen aber überhaupt nicht.最近几年,感觉电视剧越来越难看,剧情白痴,演员做作。虽然画面效果好了很多,可是一点也不吸引人。

 

Fast Food

 

Nur knapp die Hälfte der über 17.000 im Jahr 2012 insgesamt gedrehten Episoden wurde tatsächlich gesendet, die andere Hälfte landete direkt im Giftschrank. Haben sie ihren Weg auf die TV-Stationen schließlich gefunden, überschwemmen mehrere Folgen einer Serie an einem Abend verschiedene Kanäle gleichzeitig.* Kurz ist die Lebenszeit der meist in etwa 40 Episoden erzählten Geschichten, wenn sie nicht als Wiederholungen durchs Programm tingeln. Bei vielen Produktionen zählt vor allem der schnelle Yuan, erfolgreiche Serien werden oft kopiert. Ausgelutschte Formate dominieren das Programm: Kaiserhof-Seifenopern, Großstadt-Liebeskomödien, Kriegsheldenstories oder Martial Arts-Fantasy in historischem Gewand. Perlen sind selten.

 

Slow Food

 

Von denen produziert das US-Fernsehen hingegen eine ganze Menge. Auch in China sind sie auf dem Siegeszug, selbst wenn sie nur im Internet laufen oder auf DVD vertrieben werden. Besonders die Politserie „House of Cards“ über schmutzige Machtspiele in Washington beeindruckt Chinas Fernsehmacher. Zusammen mit der südkoreanischen SciFi-Romanze „My Love from the Star“ ist sie ständige Referenz für neues, qualitativ hochwertiges Fernsehen. „Jede Folge ist ein kurzer Film“, bringt Hai Qing ihre Bewunderung für die Produktionsstandards auf den Punkt.

 

Alles dreht sich ums Buch

 

Das Geheimnis dieses Erfolgs liegt für viele in den Drehbüchern. In sie werde weitaus mehr Zeit und Recherche investiert. Anders als in China seien sie das Produkt einer intensiven Teamarbeit, in die sich alle Beteiligten einbringen könnten. Die Drehbuchautorin Li Xiao beklagt die in China übliche Einzelkämpferei und schwärmt:

 

Ich schätze es sehr, dass beim Dreh von US-Serien Regisseure, Schauspieler und Drehbuchautoren gemeinsam in einem Raum sitzen und das Drehbuch diskutieren. Das ist eine gute Atmosphäre.我非常欣赏美剧拍摄中,导演、演员、编剧在一个大屋子里读剧本,大家可以互相探讨,氛围很好。

 

Ihr renommierter Kollege Shi Xiaoke macht ein weiteres Manko aus – die Themensuche. Wie bei US-Produktionen müsse man auch die Wissenschaften als Steinbruch möglicher Themen nutzen und daraus eigene Ideen für Drehbücher entwickeln.

 

Wir aber suchen in Geschichten nach Geschichten, und dann auch noch in den Geschichten anderer.我们则是在故事中找故事,而且还是别人的故事。

 

Dass in China Serien in der Regel am Stück und nicht staffelweise gedreht und ausgestrahlt werden, erschwert die Entwicklung von Geschichten zusätzlich. Das ist staatlichen Vorgaben geschuldet: Vor Drehbeginn muss eine offizielle Genehmigung eingeholt und die fertige Serie dann der zuständigen Behörde wieder vorgelegt werden. Spätere Folgen den Zuschauerreaktionen anzupassen, ist so nicht möglich und der Raum für Innovationen eng.

 

Verträgt China das?

 

Ob allerdings China Geschichten vom Kaliber „House of Cards“ überhaupt aushält, fragt die China Weekly nicht. Der Reiz solcher Produktionen liegt nicht nur in ihrem Hochglanz, sondern auch in ihrer Reflexion gesellschaftlicher Wirklichkeit. Für eine chinesische Serie, die wie das US-Vorbild schonungslos die Machtmechanismen der Politik seziert, ist das seine Medienzensur gerade wieder verschärfende China noch lange nicht reif.

 

 

 

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* Ab dem 01.01.2015 tritt eine neue Sendevorgabe in Kraft. Danach darf eine Serie nur noch auf zwei Sendern gleichzeitig laufen, mit nicht mehr als zwei Folgen pro Abend. Chinas Serienmacher versprechen sich davon eine Qualitätssteigerung.

 

 

Zum Weiterlesen

 

Felix Lee: „China nimmt „The Big Bang Theory“ aus dem Netz“, Zeit Online, 29. April 2014.

 

Oliver Pöttgen: „Ausflippen mit Martina Hill – Zum Erfolg der Sat1-Serie „Knallerfrauen“ in China“, Stimmen aus China, 09. Juni 2012.

 

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