Obama guckt, vielleicht auch Xi Jinping. In China ist das US-Politdrama „House of Cards“ sehr beliebt, muss aber Instrumentalisierung erdulden.
Die Partei guckt
Selbst in Zhongnanhai, der sagenumwobenen Pekinger Parteizentrale, soll „House of Cards“ Fans haben, munkeln chinesische Medien. So habe Wang Qishan, Chinas oberster Wächter der Parteidisziplin und Kämpfer gegen Kaderkorruption, seinen Genossen die Serie angepriesen und die zweite Staffel kaum abwarten können. Zu sehen ist sie seit Mitte Februar 2014 auf dem Streamingportal Sohu, das vom Video-on-Demand-Dienst Netflix die Rechte zur zeitgleichen Erstausstrahlung erwarb. Nicht nur ihre handwerkliche Machart begeistert Chinesen, sondern auch die Offenheit, mit der die Serie das Thema Politik verhandelt. Auch in China fasziniert, wie der von Hollywoodstar Kevin Spacey gespielte Frank Underwood im Intrigantenstadl Washington noch mächtiger werden will – mit allen Mitteln. Eine solche Innenschau kennen sie von einheimischen Produktionen nicht.
Hohe Hürden
Da schieben Film- und Fernsehaufsicht den Riegel vor. Geschichten à la „House of Cards“ hätte China zwar genug, sie aber auch auf den Bildschirm zu bringen, das wagt niemand. Unmöglich, den Sturz des Ex-Parteichefs von Chongqing Bo Xilai in einem Thriller aufzuarbeiten. Schade für Sina Weibo-Nutzer „AppMart“:
Man muss nur eine Serie über „Tiger Bo“ drehen, die Handlung wäre so viel besser als bei „House of Cards“!只要把“薄老虎”写成电视剧,情节不知道比“纸牌屋”要精彩多少倍!
Nur eben durch die Mühlen der Zensur käme sie nicht, glaubt Zhang Guoli. Das beklagte der Serienstar Anfang des Jahres auf der Politischen Konsultativkonferenz und fragte rhetorisch:
Serien wie „House of Cards“ können wir auch drehen, aber schaffen sie es über alle Prüfhürden?我们能拍出《纸牌屋》这样的剧,但能通过层层审查么?
Seht her, so sind die USA
Die Zensoren nahmem „House of Cards“ problemlos an. Für ausländische Produktionen sind sie weniger streng. Dass die US-Serie aber völlig ungeschoren durch die Zensur kam, erklären manche auch so: Sie lasse sich gut instrumentalisieren. Glaubt man Kurt Campbell, einem Ex-US-Diplomat mit Asienerfahrung, dann fällt dieses Kalkül auf fruchtbaren Boden. In einem Artikel über den Erfolg von „House of Cards“ für die Financial Times schreibt er, dass selbst im Denken tolerante Chinesen ein Bild von den USA hätten, das dem in der Serie gleiche.
Sie meinen für gewöhnlich, dass das demokratische System, auf das die USA so stolz sind, insgeheim voller Ungerechtigkeit und Korruption sei.他们普遍认为,美国引以为傲的民主制度,暗地里充满不公正和腐败。
Im Juni versuchte ein offizieller Text auch tatsächlich, in diese Kerbe zu schlagen. Auf der Webseite der Zentralen Disziplinarkommission stelzt der Sekretär Zhao Lin mit Bezug auf „House of Cards“ und andere US-Serien:
Als chronische Krankheit der Gesellschaft ist das Problem der Korruption tief in Politik, Wirtschaft und Kultur der entwickelten Länder im Westen verwurzelt. Sie sind nicht bloß unfähig, es selbst zu lösen, auch hat ihr schlechtes Beispiel die Internationalisierung der Korruption gefördert.腐败问题作为一个社会痼疾,深深根植于西方发达国家的政治经济文化土壤之中,不仅其自身无力铲除,而且成为腐败问题国际化的始作俑者。
In Chinas sozialen Medien hat das für reichlich Spott gesorgt. „Schuss ins Knie“, kommentiert „steelchongchong“ auf Sina Weibo süffisant. Denn viele Zuschauer von „House of Cards“, dazu zählen laut Umfragen besonders junge, gut ausgebildete Männer in Großstädten, sehen in der Serie auch China abgebildet. Nicht nur, weil China in der zweiten Staffel ungeschönt präsent ist, z.B. als Handelspartner oder beim Thema Netzspionage, sondern weil die Geschichte auch im korruptionsgeplagten China spielen könnte. Ein Frank Underwood passe auch gut nach Peking, meinen sie. In düsteren Farben malt es „haoguniangharry“ aus:
Politik war immer schon schmutzig, egal ob in China oder im Ausland.政治从来肮脏,不管是中国的还是外国的
Zum Weiterlesen
Oliver Pöttgen: Vorbild „House of Cards“: Chinas TV-Serien auf dem Prüfstand, Stimmen aus China, 30.07.2014.