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Stars in der Politik: Viel Häme für Jackie Chan, Mo Yan & Co.

Kungfu-Star Jackie Chan nimmt an der Politischen Konsultativkonferenz 2013 teil, Fotos © Wikimedia Commons, Fotomontage © Oliver Poettgen

Spott erntete Anfang Februar die Nachricht, dass 2013 wieder viele Prominente in der Politischen Konsultativkonferenz sitzen würden. Neben der Frage, wen die Konferenz überhaupt vertrete, steht dabei besonders Actionheld Jackie Chan im Fadenkreuz chinesischer Internetnutzer.

 

Die Politische Konsultativkonferenz: Des Volkes Stimme oder „Party“ der Stars?

 

Seit 1949 soll die Politische Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes Personen und Gesellschaftsgruppen am politischen Entscheidungsprozess teilhaben lassen, die nicht der Kommunistischen Partei angehören. Die Konferenz findet kurz vor dem Nationalen Volkskongress Anfang März jeden Jahres statt, ist diesem als Ratsorgan angegliedert und hat Ableger auf den unteren Verwaltungsebenen Chinas. In diesem Gremium treffen u.a. Delegierte der acht kleineren Parteien und Vertreter der nationalen Minderheiten auf parteilose Unternehmer, Künstler, Medienleute und Sportler. Ernannt hat sie alle die Kommunistische Partei, die 893 der insgesamt 2.237 Mitglieder stellt. Auch 2013 ist darunter viel Prominenz, wie z.B. Literaturnobelpreisträger Mo Yan, Altkomiker Zhao Benshan, Filmregisseur Chen Kaige, Basketballstar Yao Ming oder Actionheld Jackie Chan. Was aber gerade diese Promis dort zu suchen haben, das fragen sich viele User. „sanbaowings“ würde sie am liebsten gar nicht erst teilnehmen lassen.

 

Schreibt doch einfach nur Eure Bücher, schmeißt Eure Bälle und dreht Eure Filme!写你的书,打你的球,拍你的戏去吧!

 

Auch „kechaocharles“ zweifelt ihre fachliche Qualifikation an.

 

Ihr seid zwar die Besten eurer Branchen, aber auf der Konferenz seid Ihr wirklich nur Amateure.你们是各行业的最顶级人才,可在政协这个行业你们实在是太业余了。

 

Durch die Nominierung von Prominenten gerät auch die Konferenz selbst ins Kreuzfeuer der Kritik. Für viele Nutzer ist sie bloße Zierde oder gar eine Farce. Weder dort noch auf dem Nationalen Volkskongress könne Einfluss auf politische Entscheidungen genommen werden; schon gar nicht von einfachen Leuten. „jiduanpiaoyidexiaonian“ z.B. sieht die Interessen der einfachen Leute nicht vertreten.

 

Ich habe festgestellt, dass die meisten Leute auf der Konferenz Funktionäre, Stars, Top-Unternehmer, Modellarbeiter, Schauspieler und Künstler sind. Gemein haben sie, dass sie sich um Essen und Kleidung, um Wohnung und Verkehrsmittel keine Sorgen machen müssen. Manche sind sogar richtig vermögend. Können ihre Vorschläge repräsentativ für die breite Bevölkerung sein?我发现政协大部分都是官员,明星,企业高层,某部队模范,演艺界的。他们的共同点是不愁吃穿,不愁住行。有的还是很富裕,他们提出的建议能代表广大人民群众吗。

 

kafeiDAVI“ rückt den Namen des Literaturnobelpreisträgers Mo Yan (auf Deutsch: „nicht reden“) in ein neues Licht und spielt damit auf das „Klatschbuden“-Image der Konferenz an.

 

Eigentlich ist der Künstlername „Mo Yan“ für das von der KPCh regierte Gegenwartschina die größtmögliche Satire.莫言,其实笔名是对现代执政党的中国大陆最深刻的讽刺。

 

Filmstar Stephen Chow © Wikimedia Commons

Diesen Stimmen widerspricht die Guangming Ribao. Für die parteieigene und auflagenstarke Tageszeitung ist die Politische Konsultativkonferenz ein äußerst wichtiger Teil des politischen Systems Chinas, da sie Teilnahme und Kontrolle ermögliche. Als im Januar bekannt wurde, dass der Hongkonger Filmstar Stephen Chow an der Konsultativkonferenz der Provinz Guangdong teilnehmen würde, warnte sie vor einem Funktionsverlust durch zu viel Entertainment in politischen Gremien.

 

Stars aller Bereiche können den Konsultativorganisationen beitreten, aber deren politische Funktionen dürfen dadurch nicht geschwächt werden. Unter keinen Umständen dürfen die Politischen Konsultativkonferenzen zu einer „Party“ der Stars werden.各界明星可以进入政协组织,但政协组织的政治功能不能因此而有所弱化。无论如何,政协会议不能开成明星的大“派对”。

 

Zielscheibe des Spotts ist Kungfu-Star Jackie Chan

 

Dass sich Jackie Chan zum „Partykönig“ aufschwingen könnte, befürchten nicht wenige Nutzer, werden ihm doch ernsthafte politische Ambitionen nachgesagt. Während Mo Yan und Yao Ming noch recht glimpflich davonkommen, steht der Hongkonger Actionheld vor einer Welle der Empörung. Seine Fans halten zwar zu ihm, wie z.B. „pitesu“:

 

Ich unterstütze sehr, dass Jackie der Konferenz und der Partei beitritt! Das Volk braucht Dich!*强力支持成龙大哥入政协,入党!人民需要你!

 

Aber in den Mikroblogs und Foren-Beiträgen sind seine Kritiker in der Überzahl. Ihr Urteil fällt oft harsch und beleidigend aus. Die von „shamozhizhou995“ gezogene Bilanz ist im Vergleich noch höflich formuliert:

 

Jackie Chan ist dem Staat immer schon in den Hintern gekrochen.成龙一直在拍国家的马屁。

 

Das ist eine Anspielung auf frühere Äußerungen des Filmstars, die vor Patriotismus und Parteinähe strotzten und die ihm viele Chinesen übel genommen haben. 2004 bezeichnete er z.B. die taiwanesischen Präsidentschaftswahlen als „Witz“. Taiwan sei ohnehin viel zu liberal und gehöre zur Volksrepublik. Nicht China, sondern die USA sind für Chan das korrupteste Land der Welt. Besonders negativ für sein Image hat sich ausgewirkt, dass er 2009 zur umkämpften „Qualität der Chinesenäußerte:

 

Chinesen müssen kontrolliert werden, sonst machen sie, was sie wollen.中国人是要管的,否则就会为所欲为。

 

Seine Heimatstadt diente ihm dafür als Negativbeispiel.

 

Zuviel Freiheit führt zu gewaltigem Chaos, so wie im Hongkong von heute.太多的自由会导致巨大混乱,就像今天的香港一样。

 

Mit dem Sitz in der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes beginne seine politische Karriere, mutmaßt auch „machenzaibeijing“:

 

Da hat jemand endlich einen Schritt in Richtung Hongkonger Regierungschef gemacht, (…). Hongkonger Bürger, seht Euch vor!某人终于往特首的道路上迈进了一步,(…)。香港公民,留神了哈。

 

Jackie Chan: „Chinas Schwarzenegger“? © Wikimedia Commons

Vorsehen müssten sie sich demnach vor dem möglicherweise „ersten Schwarzenegger Chinas“, wie die Illustrierte Southern Metropolis Weekly den diesjährigen Star-Reigen in der chinesischen Politik betitelte.

 

 

 

 

___

 

*„pitesu“ benutzt die von Fans oft gebrauchte Anrede „Großer Bruder Jackie Chan“, die hier einfach mit dem vertraulichen „Jackie“ übersetzt wurde. Anders als von „pitesu“ suggeriert, ist nicht bekannt, dass Chan der KPCh beitreten will.

 

 

Zum Weiterlesen

 

Kung-Fu-Kommunist im Auftrag des Staates“, Süddeutsche Zeitung Online, 19.02.2013.

 

 

Kategorien: Gesellschaft, Kultur, Politik, Tags: , , , . Permalink.

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2 Antworten zu Stars in der Politik: Viel Häme für Jackie Chan, Mo Yan & Co.

  1. Mit Fug und Recht lässt sich sagen, dass Jackie Chan in einem „shitstorm“ steht…

  2. Der Nationale Volkskongress (NVK) könnte das „reichste“ Parlament der Welt sein, vermutet die Deutsche Welle (12.03.2013, http://tinyurl.com/d8xs5vz), säßen doch im Vergleich dort die meisten Superreichen.

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