Das SARS-CoV-2 hält die gesamte Welt weiterhin in seinem Bann. Hoffnung bieten Impfstoffe. In China sind zwei Präparate aus eigener Produktion zugelassen, die bereits verimpft werden. Mit der Verfügbarkeit kommen bei den Netizens Fragen zur Sinnhaftigkeit, möglichen Gefahren und der Freiwilligkeit einer Impfung auf. SAC bietet einen Einblick in diese Diskussionen und stellt in einem Infokasten am Ende des Artikels Hintergrundinformationen über das chinesische Gesundheitswesen zur Verfügung.
In der Volksrepublik waren im vergangenen Jahr fünf vielversprechende Impfstoffe von den Firmen Sinopharm, Sinovac, Anhui Zhifei Longcom, sowie CanSino in der Entwicklung. Der Impfstoff der Firma Sinopharm erhielt zum 31. Dezember 2020 eine bedingte Marktzulassung附条件上市 in der Volksrepublik. Am 06. Februar 2021 folgte das Produkt der Firma Sinovac. Bereits zuvor wurden per Notfallverordnung ab Juli 2020 bis Jahresende etwa eine Million Chinesen mit den Wirkstoffen dieser beiden Firmen geimpft.
Im Gegensatz zu den Präparaten der Firmen Biontech/Pfizer und Moderna, die auf dem erstmalig zugelassenen Boten-RNA-Verfahren beruhen, handelt es sich beim ersten zugelassenen chinesischen Impfstoff von Sinopharm um einen konventionellen Impfstoff auf Basis von inaktivierten Erregern mit einer Wirksamkeit von etwa 79%, wobei die Wirksamkeit in verschiedenen Studien teils stark variierte. Das Sinovac-Präparat, das auf einer ähnlichen Technik beruht, zeigte in den Phase-3-Studien Wirksamkeiten zwischen 50 % und 90 %.
Impfglück und Impfdruck
Das Für und Wider einer Impfung wird im chinesischen Netz engagiert diskutiert. Der Nutzer „iangong“ des Frage-Antwort-Portals Zhihu etwa ist skeptisch:
Diese Aussage wird auch vor dem Hintergrund verständlich, dass es in China in den letzten Monaten kaum Corona-Infizierte gab. Die Regierung begegnete jedem noch so kleinen Ausbruch mit strikten Maßnahmen wie der Abriegelung ganzer Millionenstädte, Massentests und strengen Quarantäneregeln. Monatelang waren die neu gemeldeten Corona-Fälle fast ausschließlich auf aus dem Ausland eingereiste Chinesen zurückzuführen. Daher war in China wieder ein weitgehend einschränkungsfreies Leben möglich, sodass der Anreiz sich impfen zu lassen nicht bei jedem ausgeprägt ist.
Netzbürger „Wie du willst“ antwortet iangong und verweist darauf, dass die Freiwilligkeit wohl auch vom eigenen Berufsstand abhängig sein könnte.
Eine Art „inoffizieller Zwang“ für gewisse Berufe, wie er von diesem Netizen beschrieben wird, lässt sich nicht belegen, ist aber auch nicht ausgeschlossen. Zhihu-Nutzer „Mitschüler Xiao Ding“ hingegen, der seinen Beruf mit „Öffentlicher Service公共服务“ beschreibt, scheint eine Wahl gehabt zu haben:
Prinzipiell ist man in China Impfungen gegenüber aufgeschlossen. So sind etwa die Impfraten bei gängigen Krankheiten bei Einjährigen mit 98%-99% sogar höher als in Deutschland. Nach Daten der gemeinnützigen Forschungsorganisation „WellcomeTrust“ lag 2018 die Zustimmung für die Aussage, dass Impfungen bei Kindern wichtig sind, bei 90 % (Deutschland 89%) und die Zustimmung zu der Aussage, dass Impfungen sicher sind, bei 72% (69% in Deutschland).
In Bezug auf den Corona-Impfstoff sehen einige aber die kurze Entwicklungszeit oder die Tatsache, dass aufgrund mangelnder Fälle im Inland die Vakzine nur im Ausland erprobt wurden, kritisch. Letzteres war notwendig, da aufgrund der stabilen Corona-Lage nicht genügend Erkrankte in China für klinische Studien zur Verfügung standen. Daher wurden die Tests etwa in Indonesien, der Türkei oder in Brasilien durchgeführt.
Ein anderer Forist mit dem Namen „So ist es“, der sich selbst als „Freie Seele“自由的灵魂 bezeichnet, hat die Impfung bereits hinter sich und eine positivere Einstellung dem Impfprozess gegenüber.
Der Impfablauf
Netzbürgerin „Regen am 12. März“ hat ihre Impfung schon hinter sich und berichtet bei Zhihu.com von ihren Erfahrungen.
Auch nach sieben Tagen fällt ihr Fazit weiterhin überwiegend positiv aus. „Regen am 12. März“ selbst hat keinerlei Probleme. Von ihren Kolleginnen berichtet sie, dass bei einigen die Periode verzögert kam und leichte Erkältungssymptome auftraten, als schlimmstes Symptom nennt sie leichten Schwindel. Einen anderen Netzbürger mit dem Namen „Yiran“ hat es hingegen härter erwischt.
Die anderen Netizens im Forum raten Yiran dringend zu einem Arztbesuch. Viele Andere, die ihre Erfahrungen mit der Impfung posten, haben hingegen kaum oder gar keine Symptome.
Wer darf zuerst?
Bis zum chinesischen Jahreswechsel am 12. Februar sollten insgesamt 50 Millionen Menschen geimpft werden. Bis zwei Tage vor diesem Datum wurden nach offiziellen Angaben bereits knapp über 40 Millionen Dosen verabreicht und das Ziel damit deutlich verfehlt. Nach einer Umfrage der IPSOS Group sind 80% der Menschen bereit sich impfen zu lassen. Dies sind auch mit Blick auf einen großen Impfstoffskandal von 2018, bei welchem Hunderttausende fehlerhafte Impfstoffe aus chinesischer Produktion ausgegeben wurden, sehr hohe Raten. Die Impfpriorisierung ist in dieser Phase der Pandemie allerdings eine gänzlich andere als etwa in Deutschland.
So sollen nur Menschen im Alter von 18 bis 59 Jahren geimpft werden, bei denen aufgrund ihrer Arbeit die Wahrscheinlichkeit, mit dem Virus in Kontakt zu kommen, erhöht ist. Hierzu zählen etwa Beschäftigte im Zoll, im Transportwesen oder im Tiefkühlbereich in der Lebensmittelindustrie. Letzteres ist der Fall, da man in China annimmt, dass Virusübertragungen durch tiefgekühltes Fleisch, unter anderem aus deutscher Produktion, erfolgt sind. Deutsche Behörden äußerten sich skeptisch gegenüber der Möglichkeit dieses Übertragungsweges, schlossen ihn aber auch nicht aus. Seit Kurzem zählen auch all jene, die vor dem chinesischen Neujahrsfest aus Berufs- oder Studiengründen ins Ausland reisen müssen, zur priorisierten Gruppe.
Auf der beliebten teil-staatlichen chinesischen Nachrichten-Plattform „Phoenix Television“ befürwortet der User „wusheng_42ca39e“ die Impfreihenfolge.
Eine der Maßnahmen, auf die der User anspielt, ist, dass jeder, der nach China einreist, sich nach der Einreise 14 Tage lang in eine Quarantäne in vorbestimmte Hotels/ Ankunftszentren am Ankunftsort begeben und sich über diese Zeit mehrfach testen lassen muss. Je nach Provinz sind anschließend weitere Maßnahmen notwendig.
Als offizielle Begründung, weswegen gerade jene Alters- und Berufsgruppen priorisiert werden sollten, verweist die Chinesische Medizinische Vereinigung中华医学会 darauf, dass man so hoffe, die angestrebte „Verhinderung der Einfuhr und des Rückfalls im Inland“外防输入、内防反弹 am ehesten zu erreichen.
Völlig besiegt ist das Coronavirus auch in China noch nicht. So gingen zuletzt die beiden Millionenstädten Shijiazhuang石家庄 und Xingtai邢台 in der Provinz Hebei aufgrund von 300 Neuinfektionen in den Lockdown.
Im Hinblick auf das Chinesische Neujahrfest am 12. Februar, zu welchem in normalen Jahren Chinesen zu Millionen durch das Land reisen, um das Fest mit ihrer Familie zu verbringen, mahnte man angesichts wieder gestiegener Zahlen zur Vorsicht. Nach ersten Berichten lässt sich feststellen, dass die Menschen teils ihre Reisetätigkeiten freiwillig eingeschränkt haben, daneben aber auch Reisebeschränkungen seitens der Regierung Erfolg zeigten. Besonders Wanderarbeitern, die zu Millionen in Chinas Großstädten leben, wurde bereits im Vorfeld der Feiertage ausdrücklich von einer Reise abgeraten.
Im Angesicht weiterhin niedriger Fallzahlen in der Volksrepublik wird es zukünftig darauf ankommen, die breite Bevölkerung von der Wichtigkeit der Impfungen zu überzeugen. Überwiegend positiven Erfahrungsberichten, die Ängste nehmen können, wird dabei eine wichtige Rolle zukommen.
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