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Chinas Wildtiermärkte nach dem Ausbruch von COVID-19 – Tradition contra Tierschutz

Ein Markt in Südchina. Hier bekommt man neben Fleisch und Gemüse teilweise auch das Fleisch exotischer Wildtiere. Photocapy, tinyurl.com/ybd63lwa

Die meisten Menschen in China verurteilten schon vor Ausbruch des neuen SARS-Virus den Wildtierhandel. Allerdings sind Wildtiermärkte traditionell in Gesellschaft und Wirtschaft des Landes fest verankert. Nun untersagt die Regierung den Handel mit wilden Tieren wohl endgültig.

 

Der tatsächliche Ursprung des Corona-Virus, das mit wissenschaftlichem Namen SARS-CoV-2 heißt, ist weiterhin nicht vollständig geklärt. In der ersten Zeit der Verbreitung des Virus, die sehr wahrscheinlich in einem Wildtiermarkt in Wuhan begann, gingen viele noch davon aus, dass es von Fledermäusen auf den Menschen übergegangen ist. Später wurden dann jedoch Schuppentiere als Zwischenglied in Betracht gezogen.

 

Kaum ein Chinese isst Fledermäuse

 

Welches Tier auch immer es war, von dem das Virus auf den Menschen übergesprungen ist – im Westen wurde nach Bekanntwerden der durch das Virus ausgelösten Erkrankungen viel darüber diskutiert, ob man den Essgewohnheiten einiger Chinesen die Schuld geben könne. Dies vor dem Hintergrund, dass auch in China heute nur eine Minderheit überhaupt Interesse am Verzehr seltener Wildtiere hat. Unter dem Hashtag Sag nein zum illegalen Verzehr wilder Tiere对非法食用野生动物说不 auf Weibo teilten Nutzer besonders oft einen Beitrag, der die Behörden dazu aufforderte, den Handel mit Wildtieren konsequenter zu unterbinden:

 

Der illegale Wildtierhandel bringt nicht nur Umweltschäden mit sich, er ist auch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und birgt Gesundheitsrisiken für uns alle. Darum appellieren wir an die Grünflächen- und Forstämter des Landes, zusammen mit den lokalen Exekutivbehörden Verantwortung zu übernehmen und möglichst schnell Maßnahmen zu ergreifen.非法野生动物贸易带来的不仅仅是对生态系统的破坏,而且危害公共安全,给我们每一个人的健康带来风险。为此,我们呼吁国家林草局和各地野生动物主管部门、执法部门以及市场监管部门负起责任,主动作为,及时行动!

 

Screenshot: Im Internet machten viele Menschen ihrer Verachtung für den Handel und Verzehr von Wildtieren Luft.

Screenshot: Im chinesischen Internet machten viele Menschen ihrer Verachtung für Handel und Verzehr von Wildtieren Luft.

 

Tradition und Ökonomie

 

Handel und Verzehr von exotischen Wildtieren sind allerdings eine Konstante in der chinesischen Kultur. So kommentiert ein Wirtschaftsredakteur auf Weibo zu Fledermäusen in der chinesischen medizinischen Tradition:

 

Ich möchte anmerken, dass der Verzehr von Fledermäusen in China eine lange Geschichte hat. Das Bencao Gangmu (ein bekanntes historisches Buch über chinesische Kräuter und Arzneidrogen aus dem 16. Jahrhundert, Anm. d. Übers.) beschreibt die Wirkung von Fledermausprodukten gegen alle möglichen Krankheiten. Das reicht so weit, dass sogar die Wirkung von Fledermauskot festgehalten ist. Selbst im Handbuch für Notfall-Behandlungen, das Youyou Tu bei ihrer Entdeckung des Artemisinins verwendete, finden sich Beschreibungen der medizinischen Wirksamkeit von Fledermäusen. Der Verzehr von Fledermäusen hat in China eine Jahrtausende alte Geschichte. Es ist trotzdem wirklich lächerlich, dass es Leute gibt, die diese Albernheiten der Vorfahren noch immer nicht sein lassen können.说起来中华民族食用蝙蝠可是有悠久历史的,《本草纲目》就记载了蝙蝠有各种治病的价值,甚至还有蝙蝠屎。包括启发了屠呦呦研究青蒿素的《肘后方》对蝙蝠的药用价值也有记载,中国人吃蝙蝠可是有个千八百年历史了,可笑有人到现在还抱着老祖宗那点玩意儿不放。

 

Oben genannte Youyou Tu hat im Jahr 2015 den Nobelpreis für Medizin erhalten, weil sie zusammen mit anderen Wissenschaftlern aus einer alten chinesischen Behandlungsmethode ein wirksames Malariamedikament abgeleitet hatte.

Die Tatsache, dass Wildtiere selten und teuer sind, hat sie in einigen Bevölkerungsschichten außerdem zu Statussymbolen gemacht. Selbst wenn diese Käufer nur einen kleinen Teil der Gesellschaft in China ausmachen, verzeichnet der Markt dennoch einen hohen Umsatz und er wird von vielen Händlern bedient, die nun durch die Restriktionen ihr Einkommen verlieren. Dies führt dazu, dass es auch einige Chinesen gibt, die die Wildtierhändler für ein Bauernopfer halten. So schreibt ein Weibo-Nutzer in einem viel beachteten Text, in dem er den Umgang mit den Gefahren der Schlangenzucht kritisiert:

 

Von den 20 entnommenen Proben enthielt mindestens eine ein Bakterium, das wahrscheinlich zoonotische Krankheiten verursacht? Sprechen wir mal über die Erreger, durch die von den Lieblingstieren der Weibo-Nutzer, von Hunden und Katzen, zoonotische Krankheiten ausgelöst werden können. Könnten mal Salmonellen erwähnt werden? Solche Dinge sind ganz normal und nicht nur bei Reptilien der Fall. Vögel sind noch mehr betroffen… z.B. die Haushühner und diverse Vögel, die als Haustiere gehalten werden. Man sollte sich halt nach dem Spielen mit Vögeln die Hände waschen. Haben Eure Mütter Euch das nicht beigebracht?20个样本中,有至少含有一种可能会引起人畜共患病的细菌?…不如我们来聊聊最常见的贵协会微博里转发保护最多的宠物猫狗上有多少种一定会引起人畜共患病的病原体? 又提沙门氏菌??来来去去也就只有这一个了,还不是爬行类特有的,鸟类更多……家鸡就有很多,各种宠物鸟也有机会携带,记得玩过鸟后洗手就好了,你妈妈没教过你吗?

 

Und beendet seinen Text mit einem alten chinesischen Sprichwort, das sinngemäß bedeutet: Wer unbedingt eine Strafe verhängen will, der findet immer ein Verbrechen. 欲加之罪何患无辞

 

Reaktion der Regierung

 

Schon nach dem Ausbruch des ersten SARS Virus in China war der Handel mit vielen Wildtierarten verboten worden. Allerdings wurde das Gesetz wieder gelockert, sicherlich auch auf Grund der oben genannten wirtschaftlichen Implikationen. Nun war allerdings der Ruf nach einem Eingreifen der Regierung zu groß. Schon Ende Februar verabschiedete der ständige Ausschuss des nationalen Volkskongresses eine Entscheidung, auf deren Grundlage jetzt nach und nach in allen Provinzen der Verzehr von Wildtieren verboten wird. Mittlerweile wird die neue Politik von vielen Provinzen auch durchgesetzt und Märkte werden kontrolliert.

 

Screenshot: Auf Weibo posteten Nutzer Bilder von den Polizeikontrollen, die auf einigen Märkten stattfanden.

Screenshot: Auf Weibo posteten Nutzer Bilder von den Polizeikontrollen, die auf einigen Märkten stattfanden.

 

Eine lokale Abteilung der Waldpolizei berichtet von diesen Aktivitäten online:

 

Vom 20. bis zum 22. März entsandte das Büro für Waldsicherheit des Landkreises Jianshui 16 Polizisten und vier Fahrzeuge, um Maßnahmen gegen den illegalen Handel mit Wildtieren durchzuführen. Bei der Kontrolle mehrerer Märkte (Luobudian, Nanzhuang, Hanjia und Xinqu) konnte zwar ein Igel gerettet, allerdings ansonsten keine illegale Jagd, Tötung, Handel oder Verbreitung von Wildtieren festgestellt werden.3月20日-22日,建水县森林公安局出动警力16人次、车辆4台次开展打击野生动物非法贸易防控疫情专项工作,检查了罗卜甸、南庄、韩家菜市场、新区菜市场,并救助刺猬1只,未发现交易、杀害、猎捕、加工野生动物及其制品的违法行为。

 

Es bleibt abzuwarten, ob die strengeren Restriktionen für den Handel einen erneuten Ausbruch gefährlicher Krankheiten verhindern können. Chinas Wildtieren dürften sie zumindest vorübergehend eine dringend notwendige Atempause verschaffen.

 

 

 

Zum Weiterlesen:

 

Nature: China set to clamp down permanently on wildlife trade in wake of coronavirus, 21.02.2020.

 

Zhang, Li: Wildlife trade, consumption and conservation awareness in Southwest China, aus: Biodiversity and Conservation 17(6):1493-1516, June 2008.

 

Informationen von Wikipedia zum oben erwähnten medizinischen Buch Bencao Guangmu

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