COVID-19 hat in vielerlei Hinsicht das Leben aller Menschen weltweit auf den Kopf gestellt. In der Volksrepublik China hat die Pandemie unter anderem ein Thema in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt: die Notwendigkeit einer stärkeren Solidarität mit chinesischen Frauen in der Krisensituation.
Die Coronakrise hält die ganze Welt in Atem. In der chinesischen Provinz Hubei, dem Epizentrum des Coronavirus, kämpfte das medizinische Personal über Wochen hinweg Tag und Nacht gegen den Virus. Schätzungsweise 60 Prozent der Ärzte und 90 Prozent der in der Krankenpflege Tätigen waren Frauen. Nachdem weibliches medizinisches Personal in zahlreichen Krankenhäusern eine Reihe ungerechter Behandlungen erdulden musste, setzten sich chinesische Netizens für die Bedürfnisse der Frauen im Reich der Mitte ein, allen voran Weibo-Bloggerin „Liang Yu Stacey“. Am 6. Februar stellte die bis dato außerhalb dieser Diskussion nicht öffentlich in Erscheinung getretene Bloggerin in einem Weibo-Beitrag zwei wichtige Fragen:
Um dieser Sache auf den Grund zu gehen, kontaktierte sie medizinisches Personal in Krankenhäusern in der Stadt Huanggang (Provinz Hubei).
Aufruf zur Spendenkampagne
Ihre Erkenntnisse teilte „Liang Yu Stacey“ am 7. Februar auf ihrem Weibo-Blog und richtete gleichzeitig eine Bitte an die Öffentlichkeit:
Dieser Beitrag wurde in Weibo fast 51.000-mal geteilt und erhielt knapp 8.000 Kommentare. Darunter meldeten sich mehrere Dutzend Ärztinnen und Krankenschwestern aus der ganzen Provinz Hubei, die um Spenden von Damenbinden und Menstruationsunterwäsche baten. Da es den Frauen an entsprechenden Hygieneartikeln fehlte, trugen viele Windeln und litten an einem erhöhten Infektionsrisiko oder liefen gar mit blutigen Hosen herum. Krankenschwester „Bai‘ Er Er“ war froh darüber, dass dieses Problem endlich beim Namen genannt wurde:
Kommentare wie diese bewegten „Liang Yu Stacey“ zum Handeln: Am 7. Februar gründete sie die Spendenkampagne Bestärkung der Schwestern im Kampf gegen den Virus 姐妹战疫安心行动. Alleine in den ersten drei Tagen nach Gründung ihrer Initiative konnten Hygieneartikel im Wert von 710.000 Yuan (93.000 €) an 20 Krankenhäuser gespendet werden. Mit Hashtags wie #BestärkungDerSchwesternImKampfGegenDenVirus und #SehtDieArbeiterinnen看见女性劳动者 erreichte die Weibo-Aktivistin mehrere Millionen Leser und damit auch Spender.
Menstruation weiterhin Tabuthema
Am 7. Februar erzählte „Liang Yu Stacey“ auf Weibo von einem Mann, der zu ihr gemeint hatte, man benötige in Krankenhäusern wohl eher Masken und Schutzkleidung als Damenbinden. Zudem teilte sie zahlreiche Screenshots von Unterhaltungen mit Ärztinnen und Krankenschwestern, die sich ebenfalls darüber beschwerten, wie männliche Krankenhausleiter Damenbinden und Menstruationsunterwäsche als „nicht notwendig“ bezeichnet hatten. Das war auch der Grund dafür, weshalb es keinen offiziellen Kanal gab, der die Versorgung mit entsprechenden Hygieneartikeln sicherstellte. Dass die Krankenhausleitung sich so verhielt, hatte vermutlich nichts mit Böswilligkeit zu tun, sondern mit Ignoranz. Schließlich handelt es sich bei der Menstruation der Frau nach wie vor um ein Tabuthema im Reich der Mitte. Netizen „Hua Fan Wird Zhe Fan Immer Mögen“ erzählte in einem Kommentar auf Weibo von einem Mädchen aus der Mittelschule:
Viele Mädchen und Frauen schämen sich dafür, ihre Menstruation offen anzusprechen. Stattdessen sagen sie, dass sie das eine da 那个 haben, dass die Tante gekommen ist 大姨妈来了oder dass es einen regelmäßigen Feiertag 例假 gibt. Außerdem vermeiden sie auch das Wort Damenbinden 卫生巾 und weichen stattdessen auf Worte wie Tantenhandtuch 姨妈巾 aus. Auch hier versuchte Weibo-Aktivistin „Liang Yu Stacey“, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und schrieb am 16. Februar:
Netzbürgerin „Bücher Enthalten Alles“ stand voll und ganz hinter der Weibo-Bloggerin und kommentierte ihren Beitrag wie folgt:
„Liang Yu Stacey“ fragte im Rahmen ihrer Spendenkampagne medizinisches Personal nach den benötigten Mengen von Damenbinden und Menstruationsunterwäsche. Auch hier wurde deutlich, dass sich die befragten Frauen genierten, das Thema ehrlich zu besprechen. Die Weibo-Aktivistin schrieb:
Dieses Thema stimmte eine Abonnentin der Weibo-Aktivistin namens „Du Sagst Mir Wo Timo Hingegangen Ist“ traurig:
Wenn ich sowas lese, kommen mir die Tränen.这段看的我他妈眼泪要下来。
Ermutigung zur öffentlichen Diskussion
Mit ihrer Initiative bezog sich „Liang Yu Stacey“ nicht nur auf medizinisches Personal, sondern auch auf Polizistinnen, Soldatinnen sowie weibliche Feuerwehrleute. Sie versuchte, ihren Teil dazu beizutragen, um eine derartige Notlage künftig zu vermeiden:
Nur wenn die grundlegenden Bedürfnisse der Frauen anerkannt würden und die Versorgung mit entsprechenden Hygieneartikeln sichergestellt werde, könnten die Frauen an vorderster Front ihre Aufgaben erfüllen und gleichzeitig auch ihre eigene Gesundheit schützen. „Liang Yu Stacey“ erhielt sowohl bei ihrer Spendenkampagne als auch bei ihrem Versuch, die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema Menstruation zu fördern, von allen Seiten Unterstützung. So meinte auch Netzbürgerin „Wqyana“, dass sich Frauen nicht für ihre Menstruation schämen müssen und ihre Emanzipation zum Teil selbst in der Hand haben:
Zum Weiterlesen:
Das schwache Geschlecht? – Chinesische Blogger über die Rolle der Frau
David Wayand: „Frauen stützen den halben Himmel“, Bosch-Stiftung, Juli 2017.
Li Sipan: „Chinese Liberals on Women’s Rights: Why Don’t Mainland Chinese Liberals Support Women‚s Rights?“ Übersetzt von David Ownsby, in: Reading The China Dream, 27.05.2019.
Georgina Rannard; Kerry Allen: „Actress gets China talking about periods“, BBC Trending, 21.05.2018.
Das lernen sie schon selbst: Die Rolle chinesischer Eltern in der Sexualaufklärung