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Nordkoreanischer Soldat tötet vier Chinesen in Grenzgebiet

Warnschild in der chinesischen Grenzstadt Dandong © Bert van Dijk, via flickr

Ende Dezember 2014 überquerte ein nordkoreanischer Soldat die chinesische Grenze, offenbar auf der Suche nach Nahrungsmitteln. Bei mehreren Einbrüchen tötete er insgesamt vier Personen. An die chinesische Öffentlichkeit gelangte die Nachricht allerdings erst Anfang Januar 2015 über südkoreanische Medien.

 

Der Soldat drang am Abend des 27. Dezember 2014 in mehrere Häuser im Dorf Nanping ein und erschoss, bzw. erschlug vier Einwohner. Mit Nahrungsmitteln und Geld floh er, wurde jedoch später von chinesischen Militär- und Polizeitruppen angeschossen. Seitdem liegt er im Koma. Nanping befindet sich nahe des Tumen-Flusses, der eine natürliche Grenze zu Nordkorea bildet und vergleichsweise einfach zu überqueren ist.

 

Kein Einzelfall

 

Dass das bewaffnete Eindringen nordkoreanischer Soldaten in die Grenzregion keine Seltenheit und dazu ein offenes Geheimnis ist, betonen einige Weibo-User. Nicht wenige berichten aus erster Hand, so erzählt „A Xing 75595“:

 

Mein Geburtsort liegt im ländlichen Gebiet Dandongs. Als ich klein war, kamen mitten in der Nacht oft nordkoreanische Soldaten rüber und wollten Reis und Zigaretten, meine Familie hat auch mal etwas gegeben. Damals haben sie nicht getötet und geplündert, sie trugen Waffen und wollten nur die Sachen. Wir haben es nicht gewagt, sie ihnen vorzuenthalten.我老家是丹东农村的 小时候半夜经常有朝鲜兵过来要米烟 我家也给过。那时候他们不杀生 不抢劫 拿着枪 只要东西 我们不敢不给。

 

Wut auf Nordkorea

 

Weibo-Mitglied „Guo Guosong“ findet, es sei nach dem jüngsten Vorfall Zeit, gegenüber Nordkorea andere Saiten aufzuziehen.

 

Vielleicht treiben die illegale Grenzüberschreitung und das Ausrauben und Erschießen chinesischer Grenzbürger durch den nordkoreanischen Soldat die Regulierung der Beziehung Chinas zu Nordkorea voran. China hat mit fast einer Million Opfer einen hohen Preis gezahlt*. Hinzu kommt die unentgeltliche materielle Unterstützung in astronomischen Höhen seit mehreren Jahrzehnten. Und im Austausch dafür haben wir trotzdem eine Proletendynastie von ungezogenen Bengeln, die China seit Langem wie ein unersättlicher Köter erpresst. Außerdem (unternimmt) diese Armee organisierte bewaffnete Plünderungen chinesischer Fischer und beraubt und erschießt chinesische Grenzbürger. Ich sehe nicht, welchen Wert es für China hat, Nordkorea weiterhin zu decken.朝军越境抢劫枪杀中国边民,可能进一步触发中国对朝关系的调整。中国以近百万人伤亡的惨重代价,加上几十年天文数字的无偿援助,换来的却是一个烂仔似的流氓王朝,长期勒索讹诈中国,像一条喂不饱的恶狗,而且其军队有组织地武装劫掠中国渔民,抢劫枪杀中国边民,看不出来中国继续庇护朝鲜有何价值。

 

Internetuser „Zhou Peng’an“ bringt dagegen Verständnis für die Soldaten auf. Seine Wut richtet sich vielmehr gegen den in Nordkorea regierenden Kim-Clan, der die schlechte Nahrungssituation der Bevölkerung zu verantworten habe.

 

Dieses Scheißland. Um Kim dem Ersten und Kim dem Zweiten eine Kupferstatue zu geben hat es Geld. Aber um die Bäuche der Soldaten zu füllen, hat es keines; die Bäuche der Bauern sind noch leerer. So viele sterbenshungrige Menschen zu Friedenszeiten, das entbehrt jeder Vernunft.(…)这个混蛋国家,有钱给金一、金二塑铜像,却无钱填饱军人的肚皮,农民的肚皮就更瘪了。和平时代大量饿死人,不可理喻。

 

Wut auf die chinesischen Medien

 

Nach Ansicht nicht weniger Netizens werden von den chinesischen Medien um des Friedens willen heikle Nachrichten zu Nordkorea möglichst vermieden. Dass die chinesische Bevölkerung ohne die Berichte südkoreanischer Medien so noch immer im Dunkeln über die Geschehnisse wäre, ist ein Hauptkritikpunkt der Online-Gemeinde. Auch Entrüstung über die nun offensichtlich gewordenen Versäumnisse der Grenztruppen ist verbreitet. So stellt „Wangjing Straße“ fest:

 

Das ist eine Sache aus dem letzten Jahr, die erst jetzt offengelegt und von chinesischen Medien aufgegriffen wurde, nachdem südkoreanische Medien den Tatbestand ans Licht gebracht haben. Außerdem ist das bereits häufiger passiert. Warum haben chinesische Medien vorher nie darüber berichtet? Und wo waren eigentlich die Grenztruppen? Wieso haben sie die Grenze nicht ordentlich bewacht? Gibt es an einem Ort, an dem der Grenzübertritt so einfach möglich ist, keine besseren Abwehrmaßnahmen?!首先,这是去年事情,现在才披露出来。其次,是在韩国媒体曝光这类事情之后,我国才引用了他们的报道。第三,以前经常发生,为什么中国媒体从未报道过。第四,边防部队干嘛去了,为什么没有看守好我们的边防线,这么容易越境的地方,竟然没有有力的防护措施!

 

Kim Jong-Uns Geburtstag am 8. Januar war den chinesischen Medien hingegen durchaus einige Berichte und Glückwünsche wert, was die Netzbürger noch zusätzlich erzürnt. „Blauer Lotus 0219“ findet die Prioritäten der Medien sehr zweifelhaft.

 

Die Leichen der vom nordkoreanischen Soldaten ermordeten Grenzbewohner sind noch nicht ganz kalt, da fängt das Außenministerium schon an, Dickerchen Kim dem Dritten zum Geburtstag zu gratulieren.被朝鲜兵杀害的边民尸骨未寒,这外交部就开始祝贺三胖生日了。

 

Weibo-Mitglied „Natürliches, tatenloses und sorgenfreies Leben“ gibt zudem die vermeintliche Doppelmoral der chinesischen Medien zu bedenken.

 

Wenn es ein japanischer Soldat gewesen wäre, der bewaffnet eingedrungen wäre und Zivilisten abgeschlachtet hätte, hätten es unter Garantie die Global Times, die People’s Daily sowie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua und andere Sprachrohre lautstark angeprangert und zu den Waffen gerufen! Dieser nordkoreanische Soldat hat bereits den Krieg erklärt und ihr verheimlicht es immer noch.要是是个日本兵带枪进入屠杀我平民,保管是 环球时报 人民日报 新华网 等等喉舌大肆喧哗谴责要求应战!尼玛朝鲜兵已经宣战了,你们还在瞒,(…).

 

Noch ist unklar, was mit dem Täter geschehen wird. Manche Netizens sprechen sich für eine Gerichtsverhandlung in China aus. Es ist auch von Todesstrafe die Rede. Tatsächlich scheint eine Überführung des Soldaten nach Nordkorea unwahrscheinlich, da die Opfer Chinesen waren.

 

 

___

 

* Der Autor bezieht sich auf den Koreakrieg, in dem China auf Seiten Nordkoreas kämpfte.

 

 

Zum Weiterlesen

 

Tobias Adam: „Reine Provokation oder reelle Gefahr? Chinesische Blogger über nordkoreanische Drohgebärden“, Stimmen aus China, 16.04.2013.

 

Melanie Adamietz: „Menschenrechtslage in Nordkorea – Einmischen oder gewähren lassen?“, Stimmen aus China, 26.03.2014.

 

Florian Jung: „China zu Nordkorea unter Kim Jong-un: Wohin steuert Nordkorea nach Kim Jong-il?“, Stimmen aus China, 28.12.2011.

 

Irina Schmitz: „Zeitreisen leicht gemacht – Nordkorea lockert Einreisebestimmungen für chinesische Touristen“, Stimmen aus China, 05.06.2014.

 

China stellt Milizen an der Grenze zu Nordkorea auf“, Reuters, 15.01.2015.

 

Grenzübertritt aus Hunger: Nordkoreanischer Soldat soll vier Chinesen getötet haben“, Spiegel Online, 05.01.2015.

 

Johnny Erling: „China gratuliert Kim Jong-un zum Geburtstag“, Der Standard, 09.01.2015.

 

Kategorien: Politik, Tags: , , , . Permalink.

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