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„Captain China“ rettet die Welt

Rot gewinnt – Superheld „Captain China“ und sein Team © Excel Comics

Splitterfasernacktes Plagiat oder wertvoller Blick von außen? Der „größte kommunistische Superheld“ verwirrt Chinesen.

 

Made in China?

 

„Die chinesische Antwort auf ‚Captain America‘“ dichtete Spiegel Online im Juni 2012, als „The Return of Captain China“ gerade erschienen war. Allerdings wurde der Superheld nicht in der Volksrepublik, sondern in den USA erdacht, in Orlando. Dort sitzt der kleine Verlag Excel Comics, dessen Chef Chi Wang  der Autor von „Captain China“ ist. In zwei flotten Bänden haben ihn Wang und Zeichner Jim Lai bisher antreten lassen. Sie werden nur als Kindle eBooks vertrieben, auf Englisch und Chinesisch. Erst sei es nur eine Spinnerei gewesen, schreibt Wang im ersten Band. Als ihm dann aber während einer China-Reise 2009 das schroffe Nebeneinander von Alt und Neu auffiel, habe er es sich anders überlegt und „Captain China“ genau in diesem Spannungsfeld von Sozialismus und Kapitalismus ansiedeln wollen.

 

Superschurke „Middle-Man“

 

Superhelden haben es im 21. Jahrhundert nicht leicht © Excel Comics

Superhelden haben es im 21. Jahrhundert nicht leicht © Excel Comics

Im Comic weckt die chinesische Regierung den Superhelden nach einem halben Jahrhundert aus dem Kälteschlaf. Im Kampagnenfieber der 1950er Jahre hatte man ihn aus einer Gruppe von Kandidaten gecastet, damit er als „Liberator“ (Befreier) China schützen und der Welt zeigen sollte, dass auch China einen Superhelden hat. Weil alle anderen Kandidaten während des „Großen Sprungs nach vorn“ gestorben waren, wurde er sicherheitshalber auf Eis gelegt.

 

Jetzt ist ihm das neue China fremd, aber seine Regierungstreue und sein Beschützerinstinkt sind ungebrochen. Im ersten Band droht ein Attentat auf Staatsgast Barack Obama und im zweiten Band ist Bösewicht „Middle-Man“ aufzuhalten. Anfang Juli 2014 teilte der Verlag auf Facebook mit, dass ein dritter Band in Arbeit sei – das Cover verspricht viel „Pow!“ und „Kaboom!“.

 

Comics als Karikaturen

 

Auf chinesischen Internetseiten wie Baidu sorgt „Captain China“ für Unruhe. Seit seiner Veröffentlichung vor zwei Jahren flackern dort immer wieder Diskussionen auf. „Splitterfasernacktes Plagiat“, motzt Nutzer „wufaxianshi0_0“ und wähnt ihn in Fälscherhöhlen geschmiedet. Chinas Comic-Macher könnten nur kopieren, sonst nichts. Tatsächlich halten viele „Captain China“ zunächst für ein einheimisches Produkt. Das mit patriotischen Motiven flirtende Cover des ersten Bandes dürfte dazu erheblich beitragen. Ein weiterer Augenfänger ist der chinesische Zhongguo Duizhang-Schriftzug. „Captain America“ heißt in China Meiguo Duizhang, es sind also nur die Ländernamen ausgetauscht. Ebenso sind die Grundmuster beider Geschichten ähnlich. Da liegt der Plagiatsverdacht nahe.

 

Zumindest ist es ein US-Comic, wie andere Nutzer gleich aufklären. Das sei auch am Stil zu sehen, ganz klar amerikanisch. Der Autor habe früher bei Marvel gearbeitet und sei US-Bürger chinesischer Abstammung. Beides stimmt, letzteres mit Einschränkung: Chi Wang wurde 1975 auf Taiwan geboren. „Nicht bloß aufs Cover schauen“, mahnt „kongxianglunba.

 

In Wirklichkeit karikiert dieser Comic alle Scheinheiligkeiten Chinas moderner Gesellschaft.这漫画其实是在讽刺天朝现代社会的各种虚伪。

 

Und „monianbingshang“ meint:

 

Der Comic lohnt das Anschauen, weil ein Ausländer mit chinesischen Wurzeln sein Verständnis chinesischer Politik präsentiert.这个漫画值得一看的就在一个外国国籍华人对自己中国政治的理解吧。

 

Über diese Einschätzung dürfte sich Wang freuen. Er habe Charaktere und Szenarien schaffen wollen, die chinesische Leser auf ihr Heute beziehen können sollten, antwortet er einem Leser auf der Künstlerplattform deviantArt. Für Festlandschinesen ist das in dieser Offenheit nicht möglich. Auf Baidu konstatiert Nutzer „Lianhua_Lotus“:

 

Wenn du in Comics über Politik schreibst, kriegst du sie nicht veröffentlicht.你在漫画里写政治,直接不用出版。

 

Im SAC-Interview erläutert Chi Wang, warum solche Kommentare für ihn sehr wichtig sind, was „Captain China“ verkörpert und welche Abenteuer dem Superhelden noch drohen.

 

 

 

Zum Weiterlesen

 

Neuer Comic-Superheld: „Captain China“ rettet Obama“, Spiegel Online, 06.06.2012.

 

Oliver Pöttgen: „Made in USA – Warum es in China keine modernen Superhelden gibt“, chinaschau.de, 21.08.2014.

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