Print Friendly, PDF & Email

Reform der Landnutzungsrechte in China: Ein Geschenk an die Landbevölkerung?

Chinesischer Bauer am Rand eines Reisfelds. Urheber: Markus Raab http://tinyurl.com/j5xjcqm

Die chinesische Regierung hat den Transfer von Landnutzungsrechten weiter vereinfacht. Sie reagiert damit auf Probleme, die über die Jahre hinweg durch das System des kollektiv verfügten Ackerlandes entstanden sind.

 

Die Bewirtschaftung von Ackerland ist in China nach sowjetischem Vorbild organisiert. Land kann nicht erworben werden, sondern ist im Besitz von Dorfkollektiven. Einzelpersonen besitzen ausschließlich Nutzungsrechte. Für diese Rechte zahlen sie Gebühren an das Kollektiv. Übertragbar waren diesen Rechte jedoch nicht.

 

Dass Chinas Bauern die Nutzungsrechte für ihr Land meist nicht übertragen können, stellt ein Problem dar. Zum einen sind viele von ihnen dadurch gezwungen, auf dem Land zu bleiben, obwohl in der Stadt die Möglichkeit bestünde, sehr viel mehr zu verdienen. Zum anderen stellt sich die Frage, wie das Land effizient bewirtschaftet werden soll, falls es die Kinder doch in die Stadt zieht, um dem großen Kapitalismus-Kuchen ein kleines Stück für die Familie abzuringen.

 

Lange Zeit war dieses System wohl genau so gewollt, denn die chinesische Regierung versuchte alles, um zu verhindern, dass die Bevölkerungsmassen sich auf der Suche nach Arbeit und nach einem besseren Leben ungehindert durch das Land bewegten.

 

Mit dem wachsenden Wohlstand jedoch und mit einem sehr hohen, noch steigenden Bedarf nach Nahrungsmitteln, realisiert auch die kommunistische Partei, dass das System der Bodenverteilung nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes mitgehalten hat. Es behindert die wirtschaftliche Entwicklung auf dem Land und fördert zudem Unzufriedenheit in der Bevölkerung.

 

Handfeste Maßnahmen

 

Am 2. November 2016 wurde daher ein Programm von 2008 ausgeweitet. Die neue Politik soll eine Übertragung der Landnutzungsrechte weiter vereinfachen und in größerem Ausmaß möglich machen. So will man nicht nur den Bauern helfen, von ihren Nutzungsrechten zu profitieren, sondern auch eine effizientere Ausbeutung des Ackerlandes durch Großunternehmen ermöglichen.

 

Viele Netzbürger sind der Meinung, dass aufgrund der gesellschaftlichen Situation Veränderungen bitter nötig sind. Ein Kommentator schreibt:

 

Die Landkinder kämpfen in den Städten ums Überleben. Das Bevölkerungswachstum ist aufgrund der niedrigen Geburtenraten relativ gering. Durch die Industrialisierung wurde menschliche Arbeitskraft von Maschinen ersetzt und die Städte sind in der Lage, die gesamte Bevölkerung zu beherbergen. So wird diese Generation von Landmenschen mit einem Problem konfrontiert: Das Problem der Altersversorgung der Eltern ist nur schwierig zu lösen. Diese Entwicklung ist unvorteilhaft für die gesamte Gesellschaft. Die Landkinder leben in Armut und haben kein Geld, um für die Altersversorgung der Eltern zu sorgen. 农二代们已经在城市中穿梭垦云,得益于之前的低出生率,人口已经得到及时有效的控制,工业化结构转型后机器替代人工,并维持目前出生率的人口完全可以被城市消化。那么农二代将面临一个现实,父母的养老问题迫切的需要承担, 这个负担对整个社会的发展是不利的。没钱养父母,生活窘迫, 他们不能上班,就是上街!

 

Teilweise findet sich Empathie für die Wanderarbeiter im chinesischen Internet. Es ist bis in weite Teile der Bevölkerung durchgedrungen, dass es für die Entwicklung des Landes wichtig und richtig ist, sich dieser Bevölkerungsgruppe anzunehmen.
 
Es wird jedoch vom gleichen Netzbürger bezweifelt, ob diese Mittel tatsächlich den Bauern zu Gute kommen:

 

Wenn die geplante Intensivierung der Landwirtschaft tatsächlich umgesetzt wird, dann sind die Ersten, die in den Dörfern auftauchen Geschäftsmänner und Investoren. Und welche Szenen werden sich dort abspielen…? 其次,农业集约化时,出现的第一个是商人和投资人,面对的农村是个什么场景呢?

 

Ein Netzbürger aus Hebei, einer Provinz im Norden Chinas, in der schon länger mit einem Landtransfermodell experimentiert wird, sieht in der neuen Regelung viele Vorteile. Sein Dorf hat das Land an ein Großunternehmen verpachtet, das es nun auf einer profitoptimierten Basis bewirtschaftet.

 

Die Eigentumsrechte an dem Land liegen zwar beim Kollektiv, aber man kann die Bewirtschaftungsrechte an ein Unternehmen, das sich um alles kümmert, weitergeben. Durch den Vertrag, den mein Dorf mit einem Unternehmen abgeschlossen hat, bekomme ich jedes Jahr 1.000 Yuan. 所有权是你和村集体共有的,但是可以把经营权承包出去,给了有能力做事的公司企业,搞10年以上的承包,我村有承包出去的,每年1000块钱。

 

Was das für das Dorfbewohner bedeutet, erklärt er dann wie folgt:

 

Es gibt Leute, die sagen, 1.000 Yuan seien nicht viel, aber ich möchte sagen: Wenn dir jemand hilft, das Land zu bewirtschaften, ist das nicht schlecht! Wenn man zu hohe Preise verlangt, dann gibt es keine Interessenten!有人说每亩地每年1000块钱不多,我想说的是:有人租你耕地就不错了!要的价格高了没人来!(…)

 

1.000 Yuan sind circa 140 Euro. Zum Vergleich: In einem Nudelrestaurant in Shanghai kostet eine Suppe ca. 30 Yuan. Die Vermutung liegt nahe, dass die Regulierung nicht dazu führen wird, dass die Bevölkerungsschichten sich annähern werden, sondern dass der Hauptteil der Landbevölkerung als eine neue, arme Arbeiterschicht in die Städte verfrachtet wird.

 

L-wie-O aus der Provinz Shanxi, die auch im Norden Chinas liegt, reagiert auf die Verkündung des neuen Programms mit Wut:

 

Durch die Einführung der Landnutzungsrechte im Jahre 2002 begann eine große Landbesetzung! Und jetzt will man sich aus der Verantwortung stehlen. Die normalen Leute, deren Land gewaltsam besetzt wurde, werden nun auch noch gezwungen, es zu verkaufen! Wie kann es sein, dass unser Heimatland dazu keine Untersuchungen anstellt…从2002年开始强骗土地使用权,把地占了!现在推脱责任!老百姓的土地强行占用现在出了公告又要卖掉!我们国家怎么不下来调查一下...

 

Ein Anfang mit Potential

 

Das Thema Landnutzungsrechte trifft den Nerv eines Landes, das in seinem enthusiastischen wirtschaftlichen Aufschwung enorme Bevölkerungsschichten zurückgelassen hat. Dieses Problem muss man nun angehen, um das gesellschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen. Dies kann nur erreicht werden, wenn die Reformen feinjustiert werden, auch wenn eine Erweiterung der Rechte zum Landerwerb ein guter Anfang ist.  Kommentator Wangyun äußert sich auf Weibo nach Verkündung des neuen Programmes:

 

Beim System der Landverteilung muss noch einiges geändert werden. Bei dem derzeitigen Stand ist der freie Transfer der Bodennutzungsrechte ein erster Schritt, aber tatsächlicher, zeitlich unbegrenzter Landbesitz mit Erwerbs- und Veräußerungsrechten muss das Ziel sein…关于土地制度,不能一成不变...现阶段的农村土地,使用权自由流转第一步,允许土地确权,永久产权,自由买卖应该是最终目标...

 

Man muss hoffen, dass durch die Reform der Bodennutzungsrechte nicht nur ein gesamtwirtschaftlicher Vorteil erzielt wird, sondern dass auch die so oft benachteiligte Landbevölkerung durch die Änderungen Klarheit darüber bekommt, welche Rechte und Pflichten mit dem Landnutzungsrecht verbunden sind. Außerdem darf die Landbevölkerung nicht ein weiteres Mal abgehängt werden, von Investoren und Industriellen, die sich durch den Erwerb von Landnutzungsrechten das schnelle Geld versprechen.

 

 

Zum Weiterlesen:

 

Deutsche Welle: Mehr Rechte für Chinas Bauern, 11.2.2015

 

China-Info 24: Neue Richtlinie zu Landnutzungsrechten im Zuge der Urbanisierung, 2.11.2016

 

FFTC Agricultural Policy Platform: Guidelines on Land Management Rights and Development of Agricultural Scale Management, 24.7.2015

 

Lisa Krauss: „Weibo der Woche #8: Arm? Selbst Schuld!„, Stimmen aus China, 07.08.2015.

 

 

Kategorien: Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Tags: , , , , , , , . Permalink.

Ist Ihnen dieser Beitrag eine Spende wert?
Dann nutzen Sie die Online-Spende bei der Bank für Sozialwirtschaft oder über PayPal.
Sicher online spenden über das Spendenportal der Bank für Sozialwirtschaft(nur Überweisung über 1 Euro.)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.