
Chinesische Schüler bei einer Prüfung; Foto: Aslan Media via Flickr.
Etwa alle zwei Minuten begeht in China ein Mensch Selbstmord. Wie Chinas Netizens berichten, sind darunter viele Jugendliche, die sich überfordert fühlen.
Als bekannt wurde, dass innerhalb eines halben Jahres fünfzehn Schüler und Studenten in Hongkong Selbstmord begingen und mindestens acht weitere versuchten, sich das Leben zu nehmen, teilten Social-Media-Nutzer besorgt Tafeln wie diese, auf denen Todestag, Alter und Selbstmordgrund zu lesen sind:

Hongkonger Facebook-User wollen so auf die Schüler- und Studentenselbstmorde aufmerksam machen, via Scholarism, Screenshot 02.03.2016.
Selbstmord an der Schule
Diese Fälle stehen aktuell im Mittelpunkt einer seit Jahren andauernden Debatte um Suizid bei jungen Menschen. Chinesische Staatsmedien gehen von rund 287.000 Selbstmorden pro Jahr aus. Wie viele Jugendliche unter den 287.000 sind, vermelden offizielle Quellen nicht.
Chinas Regierung gab bekannt, dass die landesweite Suizidrate im Vergleich zu den 1990er Jahren deutlich gesunken ist. Dennoch häufen sich in Zeitungen und sozialen Netzwerken Berichte über Selbstmorde und Selbstmordversuche bei Schülern und Studenten. „Anglake“ aus der Provinz Sichuan beispielsweise schreibt:
Und Netizen „callar“ kommentiert in einem Forum:
Tatsächlich ist der große Druck, Bestnoten erzielen zu müssen, Hauptgrund der Schüler-Selbstmorde. Dieser Last fühlen sich auch Chinas Elitestudenten nicht gewachsen. Ein Student der parteinahen Volksuniversität hinterließ vor seinem Suizid folgende Worte auf seinem Socialmedia-Profil:
(Ich habe) weder Talent noch Mut.既没有才华,又没有勇气.
Die Rolle der Eltern
Jedoch setzen nicht allein die Schulen die Jugendlichen unter Druck. Sein Kind schon im jungen Alter extrem zu fördern und zahlreiche Bildungsmaßnahmen zu ergreifen, ist in China keine Seltenheit.
2013 hatte „Tiger-Mutter“ Amy Chua mit ihrem Buch Diskussionen ausgelöst, die im Westen meist von Kritik, in China jedoch oft von Zustimmung geprägt waren. In dem Bestseller beschreibt die chinesisch-stämmige Yale-Professorin, wie sie ihren Nachwuchs zur Konzertpianistin und Klassenbesten drillte.
Dass ein forderndes Elternhaus nicht nur zu Höchstleistungen führen kann, berichtet Hongkongerin Fanny Lo aus eigener Erfahrung:
„Nachricht hinterlassen Maggie“, die bei Weibo postet, erzählt ebenfalls von schwierigen Verhältnissen:
Dem Gefühl, mit einer großen Last allein zu sein, wollen Freiwillige bei Selbstmord-Hotlines Abhilfe schaffen. Obwohl an solchen Hilfsangeboten ein überwältigender Bedarf besteht, hat der chinesische Staat in den letzten zwanzig Jahren kaum in Aufklärung und Unterstützung für überforderte Schüler und Studenten investiert.
Stattdessen rühmt er eine Studie der Hong Kong University. Laut dieser hat China sich von einem Land mit extrem hoher zu einem Land mit der weltweit niedrigsten Selbstmordrate gewandelt. Die Selbstmorde seien überraschend in niemals zuvor dokumentiertem Ausmaß zurückgegangen, beurteilt der Hongkonger Wissenschaftler Paul Yip sein eigenes Forschungsergebnis. Da muss selbst die pekingtreue Volkszeitung einräumen:
Zum Weiterlesen
Karen Cheung: „Third student suicide in three weeks raises alarm bells over stress levels”, Hong Kong Free Press, 24.09.2015.
Koel Chu: “15-year-old hangs himself in ninth student suicide since September”, Hong Kong Free Press, 05.01.2016.
Jonny Erling: „Versagensangst: Schulstress treibt Chinas Schüler in den Suizid“ , Die Welt, 24.08.2014.
Artikelbild: © Aslan Media via Flickr.
Einige Zahlen im Artikel sind schon sehr alt. Es hat sich seit den 90igern tatsächlich viel verändert, wenn es auch nicht perfekt ist. Ich empfehle diesen Artikel mal zu lesen: http://www.nzz.ch/feuilleton/zehn-minuten-bedenkzeit-1.18494335
Vielen Dank für den Link zum Weiterlesen!