
Das Kreiskrankenhaus Luyi in der Provinz Henan, in dem Li Hongxia behandelt wurde; Screenshot von Weibo, 21.6.2016
Ein Sarg im Wohnzimmer – als Andenken und als Anklage. Die Familie der im März ermordeten Li Hongxia versucht verzweifelt, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu lenken und damit auf ein weit verbreitetes, wenn auch verstecktes Thema: häusliche Gewalt.
Der Fall erregte in der Tat einiges Aufsehen in der zentralchinesischen Provinz Henan und später auch auf internationaler Ebene. Lis Ehemann Zhang erwürgte sie in einem staatlichen Krankenhaus – und niemand griff ein. Ärzte und Krankenschwestern behaupten, zu dieser Zeit Mittagspause gemacht zu haben.
Wenige prominente Fälle, wie der Li Hongxias, stehen symbolisch für viele leidende Frauen in China. Laut einer Erhebung der Regierung ist jede vierte Frau davon betroffen – und die Dunkelziffer ist bekanntermaßen hoch.
Netizens thematisieren Ehekonflikte
Im Netz wird nicht nur über bekannte Fälle diskutiert, sondern viele Nutzer teilen ihre persönliche Erfahrung und suchen Rat. Eine Nutzerin der Diskussionsplatform Tianya hat selbst Traumatisches erlebt:
Ein anderes Tianya-Mitglied „Dein Schal“ rät, bei anderen Familienmitgliedern Hilfe zu suchen:
Die letzte Hoffnung vieler junger Chinesen sind Ratschläge ihrer Mütter und Väter. Gleichzeitig zögern viele Opfer, sich überhaupt jemandem anzuvertrauen, weil sie der Überzeugung sind, dass solche Konflikte nur das Paar etwas angehen.
Angst vor der Scheidung
Der Druck zu heiraten ist hoch für junge Chinesen – und später der Druck zusammenzubleiben, da eine Scheidung immer noch großes soziales Stigma bedeutet. User „Verletzte Dame“ erzählt:
Des Weiteren spielt der Streit um das Sorgerecht eine Rolle. Häufig bleiben die Kinder nach der Scheidung bei der Familie des Ehemannes. Tianya-Nutzer „10ao“ hängt an ihrem Sohn und will sich deswegen nicht trennen:
Andere, wie Netizen „Das sind die zwei“, widersprechen:
Gesetzgeber verspricht Besserung
Seit dem Jahr 2000 hat es Versuche gegeben, auf kommunaler Ebene Richtlinien einzuführen. Diese allerdings haben in den seltensten Fällen strafrechtliche Folgen. Selbst der Oberste Gerichtshof in Peking kam bei einer eigenen Untersuchung zu dem Schluss, dass diese Gesetze unzureichend waren. Die Nachforschungen hätten ergeben, dass Gerichte in Fällen, in denen Frauen in Notwehr selbst gewalttätig werden, nur selten die Vorgeschichte von häuslichen Übergriffen bei der Urteilsfindung in Betracht zögen.
Ein bekanntes Beispiel für einen solchen Fall war Li Yan, die ihren gewalttätigen Mann im Kampf umgebracht hatte. Sie wurde zunächst zum Tode verurteilt – bis der Oberste Gerichtshof das Urteil in lebenslange Haft umwandelte.
Für Li Hongxia und ihre Familie kam jede Rettung zu spät. Viele andere Frauen in ähnlichen Umständen aber konnten angesichts dieses juristischen Ergebnisses erleichtert aufatmen. Auch wenn für Opfer von häuslicher Gewalt noch lange keine Gerechtigkeit herrscht, nicht zuletzt mit dem im März in Kraft getretenen ersten nationalen Gesetz gegen häusliche Gewalt hat der Gesetzgeber einen wichtigen Schritt getan.
Zum Weiterlesen:
Yong Yang: Eine Amerikanerin kämpft um ihre Rechte in China, Stimmen aus China, 5. März 2013
Annette Langer: Li Yan soll hingerichtet werden, Spiegel Online, 31. Januar 2013
China: Gesetz gibt Opfern häuslicher Gewalt Hoffnung, China Observer, 14.03.2016 nach People’s Daily
Bild: Screenshot von Weibo, 21.6.2016