China und Myanmar brauchen sich wirtschaftlich gegenseitig. Jedoch kommt es häufig zu Konflikten, die Chinas Netizens einfach nicht nachvollziehen können.
„In ganz Asien gibt es neben China nur wenige entwickelte Gegenden, wo die Leute vertrauenswürdig sind. Die anderen sind alle skrupellos. Eine bereits unterschriebene Vereinbarung kann beliebig wieder aufgelöst werden“(…) 整个亚洲除了中国跟少数几个发达地方的人是守信的,其他的全部是无赖,签好的合同都可以随便撕掉 , kommentiert ein chinesischer Zeitungsleser das konfliktgeladene Verhältnis von China und Myanmar.
In Myanmar, das wegen westlicher Sanktionen zur Zeit der Militärdiktatur (1988-2010) nur mit China Geschäfte machen konnte, regt sich Widerstand gegen die von China finanzierten Großprojekte. Dabei ist China bereit viel Geld in das arme Nachbarland zu investieren: Wirtschaftsverträge im Wert von 8,7 Milliarden Dollar unterschrieb Ministerpräsident Li Keqiang, als er im November 2014 das arme Land im Südwesten Chinas bereiste. Peking hat Interesse, dieses Wirtschaftsengagement im Rahmen seiner Seidenstraßeninitiative weiter auszubauen: Mithilfe von Großprojekten will China neue Märkte erschließen und seinen globalen Einfluss politisch und wirtschaftlich vergrößern.
Dass solche Mammutaufgaben zu Konflikten führen können, zeigt sich beim chinesisch-burmesischen Verhältnis. Eines der problematischen Großprojekte ist die Myitsone-Talsperre. Das Joint Venture soll 2017 fertig gestellt werden. Geplant ist, mit einem Großteil der dort gewonnen Energie die chinesische Binnenprovinz Yunnan zu versorgen.
Eigentlich hätte das Projekt schon weiter fortgeschritten sein sollen, aber wegen Umweltbedenken und Protesten in Myanmar wurde es immer wieder stillgelegt. Mit Unverständnis reagieren Internetnutzer, wie „Schafskopf Schafshirn“, auf solch massiven Widerstand gegen chinesische Investitionen:
Unterentwickelte Länder haben einfach ihre ganz speziellen Probleme. 落后国家是有其自身问题的
Die Kupfermine Letpadaung
Die Proteste in Myanmar beschränken sich nicht allein auf die Talsperre. Seitdem die chinesische Firma Wanbao Mining an der burmesischen Kupfermine Letpadaung beteiligt ist, kam es dort zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.
Was passierte, fasst die pekingtreue Global Times so zusammen:
Diese Vorfälle und das wiederholte Schließen der Mine lösten in Chinas sozialen Medien lebhafte Diskussionen aus. Westliche Medien urteilten, der Widerstand der Bevölkerung richte sich konkret gegen die Chinesen, die jahrelang die burmesische Militärdiktatur stützen und rücksichtslos auf wirtschaftliche Bereicherung setzen. Rücksichtslos, weil für die Umsetzung des Großprojektes burmesische Bauern ihre Lebensgrundlage – ihr Land – für eine geringe Entschädigung verlieren.
Chinas Netzbürger vermuten, dass der Widerstand auf die politischen Umwälzungen zurückzuführen ist. Sie kommen, wie Zeitungsleser „Spaß eine Nachricht zu hinterlassen“, allerdings zu einem unerwarteten Schluss:
Entwicklungshilfe in Myanmar
Um die Bevölkerung rund um die Mine zu besänftigen, versprach die Firma Wanbao, mehr in das Gebiet zu investieren und zum Beispiel Straßen, Wasser- und Stromleitungen bauen zu lassen.
Dass mit wirtschaftlichem Engagement auch eine Verantwortung einhergeht, sehen Chinas Netizens nicht so. Weibo-Nutzer „ein Messer für Myanmars Norden“, der mit seinem aggressiv-patriotischen Account über 30.000 Follower hat, postet:
Auch für Netzbürger „qian long wu yong yi long“ ist es unverständlich, dass chinesische Firmen Entwicklungsprojekte in Myanmar unterstützen sollen. Er hält es nur unter einer Bedingung für eine gute Idee:
Myanmars Demokratisierung
Obwohl Chinas Netizens Enteignungen und die damit verbundenen Schwierigkeiten aus dem eignen Land sehr gut kennen, ist von Mit- oder Verantwortungsgefühl gegenüber der burmesischen Bevölkerung nichts zu spüren.
Auch nicht 2012, als der Konflikt zwischen der buddhistischen Mehrheit und einer Minderheit, den Rohingya, in Myanmar erneut eskalierte: Zehntausende der seit 1982 als staatsbürgerschaftslos geltenden Muslime suchten Zuflucht in China.
„Es sieht so aus, als wenn auch Demokratien viele Probleme nicht lösen können“看来民主也有很多事情解决不了. , schreibt ein Netizen im Hinblick auf die 2011 begonnenen politischen Veränderungen in Myanmar.
„Wo ist denn nun Aug San Suu Kyi? Unternimmt sie nichts, um das zu stoppen?“昂山素季女士现在哪里?没有出手制止吗? , fragt ein anderer, der auf der Weibo-Seite des bekannten Neo-Maoisten Kong Qingdong postet. Er schließt sich damit Kritikern der burmesischen Politikerin an, die ihr vorwerfen, sich nicht genügend für die verfolgte Minderheit einzusetzen.
Überhaupt ist die international geachtete Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi KPCh-nahen Kommentatoren ein Dorn im Auge. Zu leicht lassen sich Parallelen zwischen ihr und chinesischen Dissidenten ziehen.
Im Sommer 2015 reiste die Politikerin der Nationalen Liga für Demokratie nach China, um ihre pragmatische Haltung gegenüber dem chinesischen Regime zu demonstrieren. Regierungstreuen Internet-Usern ist dies jedoch nicht genug. Sie fragen sich, ob die Volksrepublik grundsätzlich weiterhin wirtschaftlich mit Myanmar zusammenarbeiten sollte. Der Autor und Mitarbeiter des chinesischen Handelsministeriums Mei Xinyu stellte auf seinem Mikroblog zur Debatte:
Woraufhin „Echt total müde“ antwortet:
„A Wei 2004“ gibt jedoch zu bedenken:
Trotz der jahrelangen Schwierigkeiten sind die Großinvestitionen für China weiterhin von enormer Bedeutung. Myanmar ist reich an Rohstoffen, von denen China nicht genug haben kann: Kupfer, Erdgas und Wasserkraftreserven.
Chinas Regierung hat deshalb kein Interesse daran, im eigenen Land Widerstand an diesen strategisch wichtigen Projekten aufkommen zu lassen. Peking ist es gerade recht, dass öffentliche Diskussionen auf regierungs-freundlichen Seiten geführt werden und zwar von Netizens, die sich Partei- und Vaterlandsliebe aufs Profil geschrieben haben. Wie wichtig das der Regierung ist, vermittelte sie wieder bei der alljährlichen für ein Millionenpublikum ausgestrahlten Neujahrsgala 2016. In der Fernsehshow hieß es im Eröffnungsrap ungeachtet aller Schwierigkeiten in Myanmar:
Der Plan zur Seidenstraßeninitiative ist grenzenlos brillant.
Zum Weiterschauen
Zum Weiterlesen:
Mirko Woitzik: „Die neue Seidenstrasseninitiative: Pekings Ambitionen kennen keine Grenzen“, Stimmen aus China, 20.01.2016.
Zhiqun Zhu: „China’s AIIB and OBOR: Ambitions and Challenges“, The Diplomat, 09.10.2015.
Jane Perlez: “With Aung San Suu Kyi’s Rise, China and Myanmar Face New Relationship”, The New York Times, 12.11.2015.
Marco Bünte: “Myanmar vor den Wahlen 2015: Der Stand der Reformen”, Heinrich Böll Stiftung, 02.11.2015.
„Timeline: Reforms in Myanmar”, BBC, 08.07.2015.
Ute Köster, Phuong Le Trong, Christina Grein (Hrsg.): „Handbuch Myanmar“, Stiftung Asienhaus, Berlin, 2014.
Beitragsbild: Mangostar via Wikipedia.