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Fleischeslust vs. Fleischverzicht – Chinas Blogger diskutieren über Vegetarismus

Der Konsum von Fleisch ist in China ein Zeichen des Wohlstands. Lebensmittelskandale, Massentierhaltung und allgemeiner Konsumverzicht bewegen jedoch immer mehr Chinesen zum Umdenken. © cherrylet, via flickr

Der Fleischkonsum in Europa stagniert. Immer mehr Menschen entscheiden sich für einen vegetarischen Lebensstil. In China ist die Fleischproduktion ein Wachstumsmarkt. Dennoch gibt es auch im Reich der Mitte eine gar nicht so kleine Gruppe, die der Fleischeslust eine Absage erteilt.

 

Fleisch – ein Wachstumsmarkt

 

In den Industrienationen wird sich das Wachstum des Fleischkonsums in den nächsten Jahren verlangsamen bzw. zum Stillstand kommen. Weltweit ist jedoch ein Anstieg des Konsums zu erwarten. Vor allem in den Schwellenländern wächst mit den Mittelschichten auch der Hunger nach Fleisch: Bis 2022 sollen rund 80 Prozent des Wachstums der Fleischproduktion auf die Schwellenländer entfallen. Beim Konsum von Schweinefleisch hat China die Industrienationen jetzt schon eingeholt: Sowohl Europäer als auch Chinesen essen pro Kopf rund 30 Kilogramm Schweinefleisch jährlich. Fast 700 Millionen Schweine werden dafür in China geschlachtet – das sind doppelt so viele wie in der EU.

 

Vegetarismus: Ein wachsender Trend?

 

Dennoch gibt es auch in China eine wachsende Anzahl an Menschen, die bewusst auf den Konsum von Fleisch verzichtet. Vegetarische Restaurants sprießen in den Großstädten wie Pilze aus dem Boden. Verlässliche Zahlen zur Menge der Vegetarier gibt es nicht. Experten gehen von etwa vier Prozent aus. Zum Vergleich: In Deutschland sind es knapp unter zehn Prozent.

 

Mikrobloggerin „yue xiangdui yue chuncui“ ist seit einem Jahr überzeugte Vegetarierin.

 

(…) Man muss nicht unbedingt Fleisch essen, man kann es sich aussuchen. (…) Ich wünschte, es gäbe mehr Vegetarier auf dieser Welt.(...) 肉并不是非吃不可的,既然可以选择,(...) 。愿世上更多素食者。

 

Gründe für den Fleischverzicht

 

Für Mikroblogger „fengkuang sheyingshe“ ist es vor allem die Liebe zu Tieren, die zum Vegetarismus bewegt.

 

(…) Die Menschheit sollte ihr eigenes Verlangen zügeln. Wir lassen andere Tiere leiden. Auch wenn wir sie dafür aufgezogen und versorgt haben, gibt es dafür keinen vernünftigen Grund. (…) Ich hoffe, alle essen etwas mehr vegetarisch und reduzieren ihren Bedarf nach tierischen Produkten. Denn hinter jedem tierischen Produkt stecken unangenehme, sogar schmerzhafte Erfahrungen. (…)(…) 人类需要限制自己的欲望,让别的动物痛苦,即使我们喂养了他们,也是没有理由和道理。(...) 希望大家多些吃素,减少对肉蛋奶的需求,因为每个肉蛋奶背后都有许多不愉快甚至痛苦的经历,(...)。

 

Auch Netizen „Xinyue qingfeng“ findet das Töten von Tieren unerträglich.

 

(…) Gibt es keinen besseren Weg, um das Problem des Fleischkonsums der Menschen zu lösen? Muss man denn wirklich andere Lebewesen töten? (…) Die Menschheit ist so grausam!(...) 有没有一种更好的方法,来解决人类吃肉的问题呢?难道非要通过屠杀别的生灵吗!(...) 人类很残忍!

 

Zurück zu den (buddhistischen) Wurzeln?

 

Viele Blogger nennen die Vorteile für die Gesundheit oder ihre Liebe zu Tieren als Gründe für den Fleischverzicht. Einige verbinden den Vegetarismus mit einer asketischen Lebensweise. Die Gier und die Völlerei des neureichen Chinas stoßen viele ab. Und so fühlen sich einige wieder von alten Religionen und Traditionen angezogen, die das „Wertevakuum“ füllen sollen.

 

Blogger „hui yi“ bezieht sich auf buddhistische Lehren wenn er sagt, dass nur eine vegetarische Ernährung zum „inneren Frieden“ führen kann.

 

Im Westen gibt es ein Sprichwort: Du bist, was du isst. Die Menschen können also durch ihre Ernährung ihr Wesen beeinflussen. (…) Schon allein die Entscheidung zum Vegetarismus verändert die innere Haltung. Vegetarismus ist nicht nur eine Ernährungsgewohnheit, sondern auch eine Philosophie, eine Lebenshaltung (…) Körper und Geist werden vereint und man lebt in Einheit mit der Natur. (…) Deshalb sind Vegetarier auch eher glücklich. Das wirkliche Glück kommt nicht durch die Befriedigung der Wünsche, sondern durch den inneren Frieden, durch die Harmonie von Körper und Geist, die Zügelung der Lust. (Diese Haltung) ist die Quelle des permanenten Glücks.西方有一句话说:“You are what you eat。”(你吃什么,你就是什么),人会被食物的性质影响自己的性格 (…) 决定素食已经是内心的转变 (…) 素食并非单纯一种饮食习惯,而是一种哲学、一种生活态度、(...) 让自己身心合一,甚至与自然共融。这也是素食者容易快乐的原因,真正的快乐并非来欲望的满足,而是当自己内心平静、身心调和、欲求减少(...) 正是持久快乐的泉源。

 

Doch trotz der buddhistischen Tradition ist es noch ein weiter Weg bis zur breiten gesellschaftlichen Akzeptanz einer vegetarischen Lebensweise. Vor allem in ländlichen Gebieten gilt der Konsum von Fleisch als Zeichen des Wohlstands. Blogger „liu ye dao“ berichtet von den Schwierigkeiten damit.

 

In meiner Kindheit habe ich kein Fleisch gegessen. Immer, wenn ich zu meiner Großmutter gefahren bin, machte ich mir große Sorgen, weil dort alle immer Fleisch aßen. Am schlimmsten war es für mich zum Frühlingsfest, wenn meine Geschwister sagten, dass die in Wirklichkeit mit Fleisch befüllten Maultaschen vegetarisch seien und mich so dazu bewegten, sie zu essen. Dass meine Mutter immer Schweinefett zum Kochen benutzte, stieß mich besonders ab und so trat ich regelmäßig einen Hungerstreik an. (…)小时候从不吃肉,一去姥姥家就发愁,因为她们老吃肉。过年最苦恼的是哥哥姐姐经常把肉饺子说成素饺子,骗我就范。妈妈用猪油炒菜也是我最敏感且强烈反对的,我经常为此绝食。(...)

 

Ob der Vegetarismus wie in Europa ein anhaltend wachsender Trend ist oder, angesichts des massiven Fleischkonsums, nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wird sich in Zukunft zeigen. Klar dürfte jedoch sein, dass es schwer werden wird, den enormen Hunger nach Fleisch zu stillen, ohne dafür Umweltprobleme, das Sterben von kleinbäuerlichen Betrieben und Massentierhaltung in Kauf zu nehmen.

 

 

 

Zum Weiterlesen

 

Kai Strittmacher: „Comeback der vegetarischen Küche“, Süddeutsche, 23.11.2013.

 

Isobel Yeong: “Is China ready to go vegetarian?”, The Independent, 28.04.2013

 

Heinrich Böll Stiftung: Der Fleischatlas 2014.

 

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