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Nie vergessen – 24. Jahrestag der Tian’anmen-Tragödie

Nie vergessen – 24. Jahrestag der Tian’anmen-Tragödie

Kerzenlicht-Mahnwache im Victoria Park in Hong Kong © WiNG, Wikimedia Commons

Am 4. Juni 2013 jährt sich das „Tian’anmen-Massaker“, die militärische Niederschlagung des Studentenprotestes auf dem Platz des Himmlischen Friedens von 1989, zum 24. Mal. Der Entschluss der chinesischen Führung, die Waffen gegen das eigene Volk zu richten, die Brutalität der Niederschlagung und die Unterdrückung des Volkswillens nach mehr Freiheit und Demokratie erschütterten die westlich-demokratische Welt.

 

In der VR China ist das Thema „Tian’anmen“ tabu. Fotos werden zensiert, jede Information über die Proteste von 1989 unzugänglich für die Öffentlichkeit gemacht. Nach dem Massaker bemühte sich die Regierung, die Tatsachen zu verdrehen, falsche Ursachen zu nennen, das Ausmaß zu verleugnen und den 4. Juni vergessen zu machen. Die Stellungnahme der Regierung gegenüber ausländischen Journalisten bleibt jedes Jahr die gleiche: Die Partei und der Staat seien gegenüber dieser politischen Welle zu klaren Schlussfolgerungen gekommen. Die Maßnahmen seien notwendig für die Stabilität der Gesellschaft gewesen; und die schnelle wirtschaftliche Entwicklung Chinas sei der Beweis dafür.

 

Wann stellt sich China der eigenen Geschichte?

 

Die meisten Menschen in China sind über das traurige Ereignis von 1989 wenig oder gar nicht informiert. Die Regierung zeigt bis heute keine Reue. Der im Ausland lebende Chinese „Jinren“ stellt Präsident Xi Jinping deshalb die Frage:

 

Taiwans Präsident Ma Ying-jeou entschuldigte sich stellvertretend für Taiwan mit reuevoller Haltung bei den Hinterbliebenen der Opfer des 228-Massakers*. Er betonte, die nationale Bildungsbehörde wolle in den Lehrbüchern mehr auf den 228-Zwischenfall eingehen. (…) Ma sagte: „Wir stellen uns der Geschichte und prüfen uns selbst“. Herr Präsident Xi, wann kann der Zwischenfall vom 4. Juni in die Lehrbücher aufgenommen werden? Wann können auch wir uns der Geschichte stellen und uns selbst prüfen? 台湾总统马英九先生代表台湾向228受难者家属鞠躬道歉,并表示国家教育研究院要增加228事件在教科书中的比重。(…)马先生说:「我们面对历史,进行反省」。习主席,咱这儿的64事件,什么时候也能写进教科书? 我们,何时也能面对历史,何时也能反省?

 

Schikane gegen die Hinterbliebenen

 

Immerwährender Traueraltar für ihren Sohn in Frau Ding Zilins Wohnung © Phebie Thum, Wikimedia Commons

Eine Gruppe von Hinterbliebenen der Opfer des Massakers und Dissidenten mit dem Namen „Mütter des Tian’anmen“, die von den Behörden die Rehabilitierung der Demokratiebewegung, die Bestrafung der Verantwortlichen und Entschädigungen für die Opfer verlangt, ist ständig den Schikanen der Behörden ausgesetzt. Die Philosophieprofessorin Ding Zilin, die ihren Sohn beim Massaker verloren und die Organisation ins Leben gerufen hat, schildert die anhaltende Verfolgung der Regierung:

 

Die Situation der „Tian’anmen-Mütter“ hat sich nicht wesentlich verändert. Egal wo ich hingehe, Festnetz, Mobiltelefon und Internet werden immer überwacht, abgehört und oft abgestellt. (…) Während des Totengedenktages werden einige Mitglieder der „Tian’anmen-Mütter“, die die Gräber ihrer (beim Massaker) Verstorbenen besuchen möchten, gezwungen, von der Polizei gefahren zu werden oder auf Schritt und Tritt verfolgt. An der Situation hat sich nichts geändert.我本人以及其他天安门母亲所生活的环境并未有任何实质性改变。比如,不管我到哪里,家中的电话、手机、宽带始终遭受到监控、窃听,而且常常被切断。(…)清明期间,在京的一些天安门母亲为死去的亲人扫墓,不是被逼坐公安的警车,就是被警察贴身跟踪。这一切与以往年月都没有变。

 

Niederschlagung ist Katalysator für Menschenrechtsbewusstsein

 

Der bekannte chinesische Bürgerrechtler und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, der an der Studentenbewegung von 1989 beteiligt war, sieht das gestiegene Bewusstsein für Menschenrechte als positiven Effekt dieser Bewegung.

 

Das tragische Ende der demokratischen Bewegung von 1989 erweckt das Bewusstsein für Menschenrechte in China. Dies ist sicherlich der wertvollste Nachlass der Bewegung des 4. Juni. (…) Bemerkenswert ist dabei der Menschenrechtsverband der Hinterbliebenen (gemeint sind die „Tian’anmen-Mütter“), der nach dem Zwischenfall am 4. Juni entstand und Gerechtigkeit und Menschenrechte verkörpert.八九运动的悲壮结局唤醒了大陆民间的人权意识,无疑是六四留给中国的最宝贵的正面遗产。(…)特别是,六四后,形成了最具道义感召力和人权救助实效的群体维权-(…)六四难属群体。

 

Tian’anmen hat Hongkongs Gesellschaft stark geprägt

 

Die einzige Gedenkveranstaltung auf chinesischem Boden findet jedes Jahr in Hongkong statt. 16 Jahre nach der Rückgabe Hongkongs an die Volksrepublik fühlen sich viele seiner Einwohner in erster Linie nicht als Chinesen. Lo Kin Hei, stellvertretender Vorsitzender der Demokratischen Partei (Hongkong), sieht im Massaker des 4. Juni den Auslöser für die Identitätskonflikte der Hongkonger Bürger.

 

Das Massaker des 4.  Juni hat die Gesellschaft in Hongkong stark beeinflusst und ist ein Wendepunkt der Identitätsfrage der Hongkonger Bevölkerung. Es erweckte politisches Bewusstsein der Hongkonger Bürger (…) und erstickte die Hoffnung auf die KPCh. Es lässt (die Hongkonger Bürger) erneut über ihre eigene Identität nachdenken. (…) Der 4. Juni ist nicht nur die Geschichte Chinas sondern auch Hongkongs.(六四屠城)對香港社會有極大影響,也是香港人身分認同的分水嶺。它令不少香港市民政治覺醒,(...)它令人對中共的幻想破滅,重新思考自己的身分;(...)六四不單是中國的歷史,也是香港的歷史。

 

Chinesische Demokratisierung und die Rehabilitierung des Zwischenfalls sind untrennbar

 

Für den Publizist Meng Yuanpei spielen die nach der demokratischen Bewegung entstandenen Menschenrechtsorganisationen wie die „Tian’anmen-Mütter“ eine große Rolle in der Demokratisierung Chinas, was die Voraussetzung für eine Neubewertung des Massakers sei.

 

Die anhaltenden Forderungen nach einer friedlichen Lösung (meint Rehabilitierung) des Vorfalls am 4. Juni wie die „64 Tianwang“**-Aktionen und die Bewegung der „Tian’anmen-Mütter“ sind ein wichtiger Faktor für die demokratische Bewegung Chinas und sollten nicht unterschätzt werden. Die Forderungen nach einer Lösung sind der wichtigste Motor, der die Behörden zu Kompromissen, Reue und Reform zwingt. (…) Eine Demokratisierung Chinas ist wiederum die Voraussetzung für die Lösung des Falls (…).而对六四事件和平解决的持续诉求,本身成为中国民主化运动中最重要的构成部分。正如六四天网行动、天安门母亲运动已经成为中国民主运动史上不可忽视的一部分一样,六四诉求,是迫使当局妥协、悔改和改革的最重要动力,(...)而解决六四问题,却是与中国民主化互为前提(…)

 

 

 

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* Am 28. Februar 1947 schlugen die Regierungstruppen der Kuomintang einen Volksaufstand in Taiwan brutal nieder. Es gab mehr als 10 000 Todesopfer. Nach jahrzehntelangem Kampf der Bürgerrechtler wurde der Fall im Jahre 1995 revidiert. Der Tag des Massakers wurde seitdem zum offiziellen Feiertag.

 

** „64 Tianwang“ ist ein Menschenrechtsorganisation in China

 

 

Zum Weiterlesen

 

China unterdrückt Gedenken an Tiananmen-Massaker“, Zeit Online, 04.06.2012

 

Tiananmen-Massaker, Zehntausende gedenken in Hongkong der Opfer“, Focus Online, 04.06.2010

 

Andreas Lorenz: „15. Jahrestag: Wie Peking das Tiananmen-Massaker totschweigt“, Spiegel Online, 03.06.2004

 

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