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Animationsfilm trifft den Nerv zahlreicher „moderner Chinesen“

Gekonnt stellt sich der moderne Chinese den Herausforderungen des Alltags – Anspielung auf die Überschwemmungen, von denen im Juli 2012 mehrere chinesische Großstädte betroffen waren. © Screenshot Fabian Lübke

Kann es in acht Minuten gelingen, das Leben eines chinesischen Großstädters zu beschreiben? Zahlreiche chinesische Internetnutzer stellen dem Animationsfilm „Modern Times 2012“ ein gutes Zeugnis aus.

 

Die Reaktionen auf den achtminütigen Kurzfilm „Modern Times 2012 “ sind fast durchweg positiv. Direkt unter dem Video hinterließen zahlreiche Seitenbesucher selbst ein paar Zeilen oder schlossen sich per Klick vorhergegangenen Kommentaren an.

 

Mit 1.521 Unterstützern rangierte dabei der Kommentar von „Mixiaoyang“ nach einem Zitat aus dem Film an zweiter Stelle.

 

Sehr kreativ! In den normalen Wochenrhythmus eines verdrossenen chinesischen Büroangestellten wurden zentrale Ereignisse und heiß diskutierte Themen des Jahres 2012 eingeflochten.* (…) Obwohl (einige Geschehnisse ausgespart wurden), bringt der Film die Lebenssituation chinesischer White-Collars**sehr treffend zum Ausdruck. (…)非常有创意!在一个悲催上班族一周生活中,穿插了中国2012主要事件、热点(…)。虽然木有双十一网购,相亲节目宝马女等热点,但已经较全能概括了中国白领阶层生活现状。(…)

 

 

Gelungenes Spiegelbild eines chinesischen Büroangestellten

 

Der von Regisseur Ji Fangyuan verwirklichte Film ruft bei vielen Betrachtern spontane Identifikation mit der Hauptfigur hervor. Dies war auch ein Ziel der Macher. So schrieb Fu Jianfeng, der als verantwortlicher Redakteur, am Entstehungsprozess des Filmes beteiligt war, seinem Mikroblog:

 

 

Einfach genial, ich empfehle von ganzem Herzen, das anzuschauen! Du wirst deinen eigenen Schatten entdecken und du wirst lachen… lachen darüber, was einem abgenötigt wird.超级牛,吐血荐,你会发现自己的影子,你会笑,笑自己的苦逼

 

Dabei handelt es sich anscheinend nicht nur um Selbstlob und Werbegebaren: Viele Internetnutzer griffen genau diesen Satz auf, um den Film ihren Kontakten zu empfehlen. So kann sich zum Beispiel auch Liu Taili, der in der ostchinesischen Stadt Qingdao bei einem Sorgentelefon arbeitet, voll und ganz mit dem Film identifizieren.

 

Mir geht’s genau so! Wir sind alle ziemlich fertig.深有同感啊!拧吧的我们.

 

Zu starker Fokus auf chinesische Stadtbevölkerung

 

Internetnutzer „Aqiao“kritisiert, dass der Film alleine das städtische Leben in Augenschein nimmt.

 

Wirkt das (im Film) nicht alles in allem sehr geordnet? Ist unsere Lebenswelt wirklich so freundlich? Vergesst nicht, dass es im wahren Leben auch noch die Landbevölkerung gibt, die ihre Tage mit dem Gesicht zur Erde und dem Rücken gen Himmel verbringt!***整个看去,不是挺井然有序吗?而我们的世界里,有这样的祥和吗?更别忘了确实还有面朝黄土背朝天的百姓吖!

 

Hoffnungsvoller Blick in Chinas Zukunft

 

Über den Account von „Heiße Filmempfehlungen“ werden aus der ostchinesischen Wirtschafts-Metropole Guangzhou tagtäglich Filmtipps an die fast 700.000 Fans verschickt. Vor der Empfehlung, sich „Modern Times 2012“ anzusehen stellten die Macher einen Wunsch:

 

Egal ob wir nun in guten Zeiten oder in schlechten Zeiten leben – es sind unsere Zeiten. Ich wünsche mir, dass sich das Leben der Chinesen durch den Fleiß einer oder sogar mehrerer Generationen von grauer Eintönigkeit zu bunter Vielfalt wandelt!(…)不管好与坏,这是我们的时代。愿通过一代人乃至几代人的努力把中国人的生活从灰色变成七彩!(…)

 

 

 

Anmerkungen

 

* Tatsächlich strotz der Film vor Anspielungen auf Ereignisse, die im vergangenen Jahr die Gemüter der chinesischen Internetgemeinde erhitzt hatten. Einige Verweise hat SAC bereits in einem erklärenden Filmskript aufgeschlüsselt.

 

** Der Begriff White Collar, Englisch für „Weißer Kragen“, bezeichnet Personen mit einem Bürojob.

 

*** „面朝黄土背朝天“ ist ein Sprichwort, das für die Mühen in der traditionellen Landwirtschaft steht. Wörtlich: Das Gesicht zur Erde und den Rücken gen Himmelgerichtet.

 

 

 

Zum Weiterlesen

 

Fabian Lübke: „Chinas moderne Zeiten – Eintönigkeit, Druck und Überlastung“, Stimmen aus China, 04. März 2013.

 

 

Zum Weiterschauen

 
Link zum Originalfilm: „Modern Times 2012

 

Kategorien: Gesellschaft, Kultur, Tags: . Permalink.

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Eine Antwort zu Animationsfilm trifft den Nerv zahlreicher „moderner Chinesen“

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