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Jasmin-Revolution in China?

 Die arabischen Revolutionen werden in China aufmerksam verfolgt. Einige fragen sich: Können wir das auch? Tatsächlich gab es Aufrufe im Netz zu landesweiten Protesten. Wer wie einige Journalisten auf die fernöstliche Antwort auf Tunesien und Co. hoffte, wurde jedoch enttäuscht. Auf Youtube kursieren Videos der Protestversuche in Peking und in Shanghai. Der „Protest“ in Peking war keiner: Die hier gezeigte Einkaufsmeile Wangfujing ist immer voller Menschen, abgesehen von einigen Mikrofonen und Kameras war das nichts als ein Shopping-Bummel. Auch die zwei Hände voll Demonstranten in Shanghai waren schnell verhaftet. Warum der Revolutions-Jasmin in China nicht wurzeln kann erklärt Blogger roaming. Übersetzt von Roman Serdar Mendle.

 Unter denen, die die nordafrikanische „Jasminrevolution“ verfolgen, fragen sich viele, welchen Einfluss diese Revolution auf China haben wird. Menschen assoziieren gerne. Kann so was wie der Vorfall auf dem TAM-Platz vor 22 Jahren* noch einmal vorkommen? Die Antwort ist Nein! Vielleicht könnte die Jasminrevolution in China passieren, wenn Wirtschaftsentwicklung, Lebensumstände und Meinungsfreiheit heute noch auf dem Level von vor 22 Jahren wären, aber selbst dann wäre das fraglich. China hat auch heute haufenweise soziale Probleme. Das größte ist Korruption. Zudem steigen Wohnungs- und Warenpreise, die Jobsuche ist schwierig, Arbeiterinteressen werden zu wenig berücksichtigt. Die Wohlstandsschere klappt immer weiter auseinander und die Menschenrechtslage ist schwierig. Das alles sind konkrete soziale Probleme Chinas. Aber das Ausmaß und die Manifestation dieser Probleme sowie die Art der Regierung, damit umzugehen, sind noch nicht gravierend genug, um die Massen zum Aufstand zu bringen.

Warum wird es keine Revolution geben? Erstens, weil die Bevölkerung immer noch genug Chancen zum Geldverdienen und Selbstverwirklichen hat. Man muss nur hart genug arbeiten, dann geht es für Durchschnittsbürger schon, selbst wenn sie nicht Millionen und Milliarden verdienen können wie andere mit dem entsprechenden Sozialhintergrund. 84 Prozent aller Chinesen befürworten die Politik der Regierung und sind zufrieden mit dem Weg, den China gerade geht.
Zweitens, weil es für China aufwärts geht. Jedes Jahr zum Frühlingsfest empfinden 3/4 der Menschen ihre Erfahrungen und Errungenschaften des letzten Jahres in der Retrospektive als Verbesserung. Ihr Gehalt ist gestiegen, sie haben ein Auto oder eine Wohnung bekommen oder können sich Reisegruppen anschließen, wo sie vorher nicht im Traum daran denken konnten, jemals aus China herauszukommen. Warum wird es keine Revolution geben? Drittens, weil die Löhne der Wanderarbeiter gestiegen sind. Die Mehrheit der Menschen können in Frieden leben und arbeiten. Das sieht man schon daran, dass man heute Wanderarbeiter aus Anhui, Henan, Hubei und anderen Provinzen mit dem Auto nach Shanghai und Shenzhen zum Arbeiten holt. Die Arbeiter, die in den Küstenstädten normalerweise aufmucken, sind aus der Übung gekommen. Weil die Jobchancen auch in ihren Heimatregionen mehr werden, müssen sie zum Arbeiten noch nicht mal von zu Hause weg. Diese potenzielle „Hauptstreitmacht“ der Revolution ist heutzutage damit beschäftigt, Geld zu verdienen! Viertens, wegen der starken Mittelschicht. Viele Leute haben Geld. Trotz der teuren Wohnungspreise gibt es immer noch viele Kaufinteressenten für Eigentumswohnungen. Im Januar 2011 sind die Wohnungspreise im Landesdurchschnitt wieder um 11 Prozent gestiegen. Die Banken wollen die Leute mit erhöhten Zinssätzen zum Sparen bewegen, aber die Meisten kaufen lieber Gold. Deswegen sind die Goldpreise im Januar 2011 auch in die Höhe geschossen. Warum wird es keine Revolution geben? Fünftens, weil jobsuchende Graduierte von ihren Familien versorgt werden und zu sogenannten NEETs (Not in Education, Employment or Training) werden. Das hilft der Regierung bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme.** Sechstens, weil die chinesische Regierung selbst durch eine Revolution an die Macht gekommen ist und weiß, wie man deren Ausbrechen verhindern kann. Der Vorfall vor 22 Jahren hat der Regierung vor Augen geführt, dass solche Vorkommnisse schon im Vorfeld präventiv verhindert werden müssen. Wie das geht, konnte man in Amerika nach 9/11 sehen. Um das Schlimmste zu verhindern muss man den Bürgern nur den Zugang zu Mikroblogs und Sozialen Onlinenetzwerken kappen. Das hat auch bei den gewalttätigen Unruhen in Xinjiang im Sommer 2009 funktioniert.

Der instabilste Teil der Gesellschaft sind Chinas 20 Millionen entlassene Arbeiter, die Verlierer der Wirtschaftsreform. Aber in den letzten 20 Jahren hat das System diese auch fast verdaut! Außerdem haben diese Arbeiter ihr schicksalsweisendes Alter schon hinter sich. Selbst wenn sie ihre Existenzgrundlage komplett verlieren, werden sie keine Revolution mehr anzetteln. Obwohl sie vielleicht noch schlechter dran sind als Wanderarbeiter, reicht die knappe Arbeitslosenstütze des Staates gerade noch zum Überleben aus. Deswegen sind sie höchstens potenzielle „Verbündete Hilfsstreitkräfte“ für eine eventuelle Revolution, aber keinesfalls ihre „Vorreiter“. Die sogenannten revolutionären „Vorreiter“, die Universitätsstudenten, zeigen kein Interesse an Politik. Die Businessinteressierten unter ihnen suchen unentwegt Zugang zum Kommerzsystem; die Draufgänger unter ihnen laufen Tag und Nacht Frauen hinterher; die, die ins Ausland wollen, bereiten sich ununterbrochen auf Fremdsprachentests vor und die, die einfach nur arbeiten wollen, kümmern sich nur um Praktikumsplätze. Und letztlich die, die eine Parteikarriere anstreben, arbeiten die ganze Zeit freiwillig der Regierung zu.

Jetzt habt ihr’s geschnallt, oder? Immer noch nicht? Dann macht mal die Augen auf und schaut euch Chinas momentane Situation an: Die Vorreiter der Revolution haben Scheuklappen auf und kümmern sich nur um ihren eigenen Kram, die Hauptstreitmacht der Revolution ist mit Geldverdienen beschäftigt und die Hilfsstreitkräfte leben von der Regierungsstütze. Revolution? Leicht gesagt! Wer soll die denn machen? Die Revolutionsidee war ursprünglich Chinas ideologisches Exportprogramm. Wenn China wirklich den Aufstand proben wollte, warum sollte man dafür dann zuerst die Idee aus dem Ausland importieren müssen?

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* Bezieht sich auf den Tiananmen-Vorfall 1989. Die Abkürzung TAM und die Umschreibung „vor 22 Jahren“ sind weniger auffällig für Suchmaschinen und Zensur-Bots. A.d.Ü.

** …weil sie sich dadurch nicht mehr so stark um diese soziale Gruppe kümmern muss. A. d. Ü.

 

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