Chinas Müllhalden sind weiß vor Plastikmüll. Plastiktüten sind – seit sie nicht mehr gratis verteilt werden dürfen – Bestseller #1 in Supermärkten und Hotels, Restaurants und Fastfood Services rühmen sich für ihre Hygienebedinungen und freuen sich über gesparte Kosten. All das geht zulasten der Umwelt und wird als externe Kosten von der Bevölkerung getragen – freiwillig, aus kurzsichtiger Bequemlichkeit. Das I-Tüpfelchen dabei ist, dass die Plastikprodukte von Industrieverbänden sogar als umweltfreundlich dargestellt werden. Bloggermeinungen zum Thema und ein Statement zivilgesellschaftlicher Organisationen im Beitrag von Roman Serdar Mendle und Johannis Bayer.
Wady17: Einwegprodukte richten großen Schaden in der Umwelt an
Mit dem Fortschritt unseres Zeitalters und der stetigen Beschleunigung unseres Lebensrythmus‘ können viele recyclebare Mehrwegprodukte nicht mehr die Ansprüche der Konsumenten an Effizienz, Komfort und Hygiene erfüllen. Der Überfluss an weggeworfenen Einweggegenständen nimmt katastrophale Ausmaße an. Übermäßige Produktion und Konsum von Einwegprodukten ist ein Symptom des Zivilisationsverfalls unserer Gesellschaft.
In Hotels und Gasthäusern bekommt man eine Menge billige Einwegwaschutensilien bereitgestellt. Es gibt alles, was man an Alltagsgegenständen braucht: Zahnbürste, Zahnpasta, Kamm, Rasierer, Seife, Shampoo, Hausschuhe, Einweghandtücher, Socken. Das Meiste davon aus Plastik oder in einer Plastikverpackung, so dass die Entsorgung ernsthafte Umweltverschmutzung verursacht. Es gibt durchaus Leute, die eigene Waschutensilien und Kleidung mitbringen. Wir müssen uns nur angewöhnen, selbstmitgebrachte Gegenstände zu benutzen. Das ist eigentlich bequemer und umweltfreundlich. Der Hauptgrund für den hohen Verbrauch von Einwegessgeschirr ist billiges Fastfood, Snacks und Box-Gerichte. Gastronomen und Lieferanten haben nicht die Zeit oder Möglichkeit, Geschirr zu waschen. Zugunsten von Effizienz und Bequemlichkeit werden in Massen Einwegessstäbchen, -Essensboxen, Pappbecher und Besteck benutzt und weggeworfen. Außerdem haben Konsumenten kein Vertrauen in die Sauberkeit und Hygiene von Restaurants und Lieferservices und benutzen schon deshalb lieber Einweg-Essutensilien.
Seit einiger Zeit ist das Dekret des Staatsrates zur Begrenzung von Plastiktütenproduktion* in Kraft und Geschäfte wie Supermärkte stellen ihren Kunden keine kostenlosen Plastiktüten mehr zur Verfügung. Manche Hausfrauen nehmen zum Einkaufen inzwischen Leinenbeutel von Zuhause mit. Aber außerhalb von Märkten und Supermärkten benutzt kaum jemand umweltfreundliche Tragetaschen. Die Mehrzahl derer, die sie benutzen, sind aufmerksame alte Leute. Die meisten Leute achten kein Bißchen auf Umweltverträglichkeit und interessieren sich auch nicht für die paar Mao**, die sie dafür ausgeben müssen. Deswegen sind Plastiktüten inzwischen Bestseller Nummer #1 unter den Waren in Supermärkten.
Jiang Gaoming: Die „Weiße Verschmutzung“
Traurigerweise haben sich in letzter Zeit Einweg-Sterilitätsverpackungen für Essgeschirr in Restaurants im ganzen Land durchgesetzt. Nach dem Abwasch werden Teller, Unterteller, Schale, Löffel und Trinkbecher als Set in eine Plastikmembran eingepackt. Das Geschirr sieht damit sehr sauber und hygienisch aus. Ich habe einmal gesehen, dass auf einer solchen Plastikverpackung in grünen Lettern geschrieben stand: „Umweltbewusst, hygienisch und umweltfreundlich für einen gesunden Service“. Darunter stand als Kleingedrucktes: „1 Yuan Einsatzgebühr pro Benutzung“. Der Grund für die Umweltverschmutzung durch weißen Müll ist nach wie vor Profitinteresse. Leidtragender ist einerseits der Kunde, der auf seiner Rechnung hinterher „Plastikhülle“ stehen hat. Der noch größere Verlierer ist jedoch die Umwelt, in die der weiße Plastikmüll emittiert wird. „Weiße Verschmutzung“ beeinträchtigt die Bürger stark. Die Verbrennung von Plastikmüll verursacht hochgiftige Dioxine, die zusammen mit anderen giftigen Chemikalien wie Hexachlorbenzol in der 2004 in Kraft getretenen, internationalen Stockholmer Konvention als besonders gefährlich deklariert und verboten wurden.
Ich habe mal versuchsweise nach dem Essen alle Plastikhüllen mit nach Hause genommen und gewogen. Dabei kam folgendes Ergebnis heraus: Hygieneverpackung für Geschirr 1,374g; Essstäbchenhülle 0,169g; Verpackung für Papierservietten 1,785g; Einzelhüllen für feuchte Servietten 0,988g. Insgesamt macht das 4,316g. Wenn 10 Leute an einem Restauranttisch essen, verursachen sie schon über 43g „Weißen Müll“. In Beijing gibt es 41.000 Restaurants, und wenn die im Schnitt jeweils hundert Gäste pro Tag haben, entstehen allein dadurch 6,45 t Plastikmüll, und dabei sind die Plastiktischdecken und die Plastikschachteln von Essenslieferungen nicht einmal mitgerechnet. Der Alltagsmüll in Beijing hat einen durchschnittlichen Plastikanteil von 3%, der einer jährlichen Gesamtmenge von etwa 14.000 t entspricht. Das heißt, 46% des Weißen Mülls in Beijing wird von Einwegverpackungen in Restaurants verursacht! Deswegen muss Beijing bei den Restaurants anfangen, wenn das Problem der Weißen Verschmutzung gelöst werden soll.
Es darf nicht sein, dass die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung für die Profitinteressen der Restaurantbetreiber und Plastikprodukthersteller geopfert wird. Es reicht nicht, sich auf freiwilliges Konsumentenverhalten zu stützen, um das Problem der „Weißen Verschmutzung“ durch Restaurants und Gaststätten zu lösen. Die Regierung muss hier mit drastischen Maßnahmen eingreifen. Angemessene Regierungsmaßnahmen sind dabei nicht, „Roter-Briefkopf-Dokumente“*** zu verabschieden oder eine Überraschungskontrolle durchzuführen. Regierungsmaßnahmen müssen in Form eines umweltrechtlichen Statutes erfolgen. Wenn Herstellung und Gebrauch von Einweggeschirr aus Plastik verboten werden, wird die „Weiße Verschmutzung“ durch Restaurants und Gaststätten von Grund auf gelöst. Unter den Konsumenten muss man grünes Konsumverhalten propagieren und sie wieder an normal gewaschenes Geschirr gewöhnen, das ohne Plastikhülle auskommt. Wenn man in den Westen reist, bekommt man von Hotels gar keine Einwegtoilettenartikel bereitgestellt und Restaurants benutzen auch keine Plastikverpackungen. Das ist eine konkrete Manifestierung zivilisatorischen Fortschritts. Wenn wir Chinesen so fortschrittlich sein wollen, müssen wir uns auch daran anpassen.
Statement zivilgesellschaftlicher Organisationen: Behauptungen der Industrieverbände, Einweggeschirr sei umweltfreundlich, müssen in Frage gestellt werden!
Am 24. August 2010 gab der China Verband für Partnerschaft zwischen Industrie, Hochschule und Forschung gemeinsam mit dem Industrieverband für Plastikverarbeitung bekannt, dass Einwegplastikgeschirr ein schadstofffreies, vom Markt angenommenes, umweltfreundliches Produkt sei. Als Umweltorganisationen, die sich seit mehreren Jahren für die Reduzierung von Verpackungsmaterialien und verstärkte Müllverarbeitung in China einsetzen, haben wir seit geraumer Zeit Untersuchungen bezüglich dieses Themas durchgeführt, und sind der Ansicht, dass die Aussage der beiden Verbände die folgende Erörterung benötigt:
1. Bei der Einführung eines funktionierenden Recyclingsystems für Einweggeschirr in China hapert es momentan an der Durchführung. Die „Auflösung des Verbots“ würde daher zu einer erneuten Quelle für die „Weiße Verschmutzung“ führen, was die Situation verschlimmern könnte. Dies muss daher sorgfältig geprüft werden.
2. Es ist notwendig sich für die Einschränkung der Verwendung von Einweggeschirr stark zu machen – sei es um Ressourcen zu bewahren oder Müllverschmutzung zu verringern. Wahrer Umweltschutz bedeutet Ursachen – die Produktion von Schadstoffen – als auch den Gebrauch und die Entsorgung von Kunststoffgeschirr zu reduzieren.
3. Da Marktwirtschaft von individueller Interessenverfolgung geprägt ist, können Angebot und Nachfrage für Wegwerfgeschirr nicht als Kriterium für die Entscheidung verwendet werden, ob solche Produkte der sozialen Entwicklung dienlich sind.
4. Die rechtliche Anerkennung der Verwendung von Polypropylen und anderen Kunststoffen zeigt in keinster Weise, dass solche Materialien der Umwelt und Gesundheit keinen Schaden zufügen können. Deshalb müssen die Auswirkungen jeglichen Einweggeschirrs wissenschaftlich und klinisch ermittelt werden.
5. Der Status „Grünes Produkt“ kann ausschließlich durch die Chinesische Kommission zur BescheinigungUmweltfreundlicher Produkte verliehen werden. Die öffentliche Vergabe des Titels ohne die Genehmigung der Kommissionist unqualifiziert und unsachlich.
Wir glauben, dass der Großteil von Umweltfragen ausschließlich durch die Teilnahme von mehreren Seiten, wie Regierungsämtern, Branchenverbänden, Firmen, Konsumentengruppen, Forschungsinstituten und Wohltätigkeitsorganisationen gelöst werden kann, da dies im Interesse der Öffentlichkeit liegt. Dabei ist es wichtig, dass die Regierung der Meinung der Menschen offen gegenüber ist, bevor sie politische Regelungen verfasst, welche das Wohl der Menschen betreffen. Die Auffassungen einzelner Experten und Interessengruppen dürfen diese nicht manipulieren.
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* chin. 国务院办公厅关于限制生产销售使用塑料购物袋的通知
** umgangssprachlich für „Jiao“, chinesische Währungseinheit
***chin. „红头文件“
So ein großes Land mit über einer Milliarde Einwohnern sollte sich doch im Klaren darüber sein, dass sie eine ordentliche Recyclingpolitik anstrengen sollten, um die Städte nicht zu vermüllen.