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Zwei Jahre nach dem Erdbeben: Lachen in Beichuan

Kurz vor dem zweiten Jahrestag des großen Wenchuan Erdbebens der Provinz Sichuan besuchte der Blogger „Treib das Pferd in den Wald“ das ehemalige Katastrophengebiet. Seine verklärt-poetischen Darstellungen sprechen sicherlich einigen Chinesen aus der Seele und bilden zugleich einen krassen Kontrast zu kritischen Berichten aus Sichuan (Vgl. Artikel „Zwei Jahre nach dem Erdbeben: Korruption in Beichuan“). Seine Fotos aus Beichuan zwei Jahre nach dem Beben kann man auf http://blog.qq.com/qzone/34200567/1273422153.htm anschauen.
Übersetzt von Jingjie Hou-Wübbeke und Jost Wübbeke.

„5.12″ (Chin. Schreibweise des Datums 12.Mai; Anm. d. Red.) – ein gelbes Blumenmuster dreier Zahlen auf einer grünen Wiese, halb so groß wie ein Fußballfeld. Jeder weiß, was das bedeutet. Auf der Wiese hinter der Gedenktafel liegen die sterblichen Ãœberreste von 7000 Erdbebenopfern begraben. An die Wiese grenzt jene Mittelschule Beichuan’s, die von Felsbrocken vollständig verschüttet wurde. Mehr als eintausend Lehrer und Schüler ruhen hier für die Ewigkeit.

Einige Leute stützen sich gegenseitig und bücken sich herunter, um vorsichtig ein paar Kerzen anzuzünden und in einer Waschschale Opfergeld zu verbrennen. Sachter Nieselregen tröpfelt pausenlos vom Rand des Regenschirms und löscht doch keine der Kerzen oder Räucherstäbchen aus dem Lichtermeer. Die hier wartenden Seelen sind schon zu grünem Gras am seichten Hang geworden. Sehen sie jetzt auch auf diese Kerzen?

Ich bin zum zweiten Mal in Beichuan, [aber] das erste Mal nach dem Beben. Die mit Pfützen übersäten Straßen und das ferne Strömen des Jian-Flusses stehen nicht mehr für die Überlebenden und die schmerzvollen Tränen der Gedenkenden. Sie haben die Blutspuren aus dem vorletzten Jahr davon gespült. Nur die eingefallenen Mauern, unheilbare Wunden, sind noch Zeugen der Katastrophe.

In drei Tagen jährt sich das Beben von Wenchuan zum zweiten Mal. Einige Menschen sind schon jetzt hergekommen, um der verstorbenen Verwandten zu gedenken. Ihre Gesichter sind nicht mehr so sehr von tiefstem, bis ins Mark gehendem Schmerz erfüllt. Sie wirken ein wenig gelassener und wechseln sie sogar lachend ein paar Worte mit den Anderen. Das Leben muss weitergehen. Mit der warmherzigen Unterstützung der Mitbürger ist das Leben wieder von Licht durchflutet und der Schmerz gemildert. Auch die Toten wären ihnen dankbar.

Die Lehre der Dankbarkeit

Heute ist Muttertag und einige Mütter sind mit ihren kleinen Kindern gekommen. Ich blicke auf ihre jungen Gesichter, wundersam wie aufblühende Blumen. Bei ihrem Anblick vergesse ich ganz zu knipsen. Aber es macht nichts, dass ich verpasse, die über den sterblichen Überresten ihrer Nächsten trauernden Mütter und Kinder zu fotografieren. Denn diese Kinder haben nicht das Leben mit ihren Müttern verpasst, haben nicht den ernsten Moment der Erinnerung mit ihren Müttern verpasst, haben nicht jene Lehre des Lebens über die Dankbarkeit verpasst.

Ich halte einen Strauß frisch gepflückter Chrysanthemen in der Hand, so schwer, dass ich ihn beinah nicht mehr fassen kann. Dreimal verbeuge ich mich tief vor der Wiese hinter dem Mahnmal. Beinahe kann ich dem Flüstern der Grashalme lauschen. Ach, ihr Mitbürger, so viele Tränen habe ich über euer Unglück vergossen, das Herz schmerzt, die Tränen sind noch nicht getrocknet. Ich bete vor meinem inneren Altar, der Schmerz ist noch nicht verblasst, zwischen Himmel und Erde trage ich dieses Mitleid.

Arbeiter sind dabei das Erdbeben-Museum zu errichten, noch mehr sind damit beschäftigt, wunderschöne Wohnhäuser im Katastrophengebiet aufzubauen. Meine Heimatprovinz Shandong hat mit allen Kräften über zehn Milliarden Yuan gespendet, um eine neue Stadt, neue Straßen, neue Landschaften und ein neues Leben in Beichuan vom Papier in die Realität auferstehen zu lassen. „Dank der Nation, Dank Shandong“, solche roten Spruchbänder zeigen die Gefühle der Menschen.

Maßlose Aufopferung für die Erdbebenhilfe

Xiao Wang aus meiner Heimatstadt Liaocheng in Shandong begleitet mich. Als die Erde bebte hatte er gerade die Schule in der inneren Mongolei abgeschlossen und ging sofort in den Süden, um als Freiwilliger die Katastrophenhilfe zu unterstützen. Später legte er in Beichuan seine Beamtenprüfung ab und ist jetzt im Online-Nachrichtendienst des Kreispresseamts beschäftigt. Für sein Alter ist der in den Achtzigern geborene Xiao Wang ausgesprochen gelassen und reif. Er führt uns zum Hilfszentrum der Provinz Shandong. Abteilungsleiter Zhong zeigt uns die Holzhäuser, in denen sie vor fast zwei Jahren kurzfristig wohnten, und erzählt uns die Geschichte von Cui Xuexuan, der sich hier für die Erdbebenhilfe aufopferte und beim Einsatz verstarb.

Am letzten Abend beginnen junge Redakteure zahlreicher bekannter Internetmedien zum zweiten Jahrestag des Bebens von Wenchuan mit dem Interview-Projekt „Rückkehr ins Katastrophegebiet, um das Leben dort zu sehen“. Sie öffnen Tür um Tür und suchen die Geschichte dahinter. Sie erfahren von der Kraft des Wiederaufbaus und empfinden den Geist der Katastrophenhilfe nach. Ihr Interviewprojekt zeigt ihre Teilnahme. Ihre Berichterstattung, ihre Führung der öffentlichen Meinung, setzt neue Kräfte frei.

Die Toten haben ihren Frieden gefunden, die Lebenden ein geruhsames Leben. Wiesen und Wälder liegen in Harmonie, Himmel und Erde üben sich in Gnade.

Dankbarkeit und guter Sozialismus

„Treib das Pferd in den Wald“ hat zahlreiche Aufnahmen von Bannern aufgenommen, die an den Straßen von Beichuan aufgereiht sind. Hier einige Ãœbersetzungen:

 

 

„Die Kommunistische Partei ist gut, der Sozialismus ist gut, die Armee ist gut, das Volk von Shandong ist gut, die partnerschaftliche Hilfe ist gut“

 

 

„Dank dem Mutterland, Dank Shandong, Dank der Stadt Jining“

 

 

„Schützt die Überreste von Beichuan. Zeigt die Dankbarkeit der Menschen von Beichuan“

 

 

Auf einem herunter gebrochenen Türbogen steht in Erinnerung an ein kleines Mädchen: „Stör sie nicht, lass sie in Frieden ruhen“

 

Kategorien: Politik. Permalink.

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