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Ausschreitungen in Hongkong: Kampf der Hashtags #FischballRevolution vs. #MongkokAufruhr

Unruhen in Hongkong; Foto: Iris Tong via Wikipedia

Im Anschluss an die gewaltsamen Auseinandersetzungen im Hongkonger Viertel Mongkok旺角 am Abend des chinesischen Neujahrsfests 2016 begann der Kampf um die Deutungshoheit. Obwohl die staatliche Zensur bei diesem hochsensiblen Thema hart durchgriff, kursierten bei Weibo Augenzeugenberichte unter dem unerwünschten Hashtag #Fishballrevolution#鱼蛋革命.

 

 

 

 

 

#MongkokAufruhr

 

Am 8. Februar 2016 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen in Hongkong als die Polizei ungewöhnlicherweise unangemeldete Straßenhändler vertrieb, die von Nachtmarktbesuchern verteidigt wurden.

 

 

Die chinesischen Staatsmedien lieferten schnell die gewünschte Sprachregelung. Sie berichteten unter dem Hashtag #HongkongerMongkokAufruhr #香港旺角骚乱/#香港暴乱 über gewissenlose Angriffe auf Polizisten.

 

 

Diese Berichte wurden in sozialen Medien tausendfach geteilt. Sie riefen überwiegend Unverständnis gegenüber den Hongkongern hervor. Eine Weibo-Nutzerin schrieb:

 

 

Das ist es also, was einige Hongkonger als Demokratie bezeichnen! Müsst ihr unbedingt alle anderen behindern und die friedliche Entwicklung der Gesellschaft durcheinander bringen?這就是某些港人說的民主麼!… 你們一定要這樣拖港人後腿擾亂社會安寧發展麼?

 

 

Ergänzt wurde diese offizielle Storyline von verängstigten Berichten chinesischer Netizens. „Ich_heiße_Song_Ruoxin“ schrieb:

 

 

Mitten in der Nacht habe ich von den Hongkonger Unruhen erfahren. Wie soll ich es derzeit wagen nochmal dorthin zu fahren? Echt traurig !大半夜看到香港暴乱 这段时间我怎么敢再去 太寒心

 

 

Jede detailliertere Beschreibung der Ereignisse aus erster Hand wurde jedoch schnellstmöglich zensiert. Selbst neutral gehaltene Beschreibungen wie von „Fischige Berühmtheit“, der einen Artikel einer Hongkonger Zeitung weiterleitet, verschwanden:

 

 

Die Polizei gab zwei Warnschüsse ab, worauf vor Ort einige Bürger in Panik ausbrachen und laut riefen: „Die Polizei schießt mit echter Munition auf die Bürger. Sie wollen uns umbringen!“警方向天开2枪警告,现场有市民感到震惊,高呼:警察向巿民开真枪,放实弹,想杀人!

 

 

 

#FischballRevolution

 

 

Eine ganz andere Erzählung, nämlich die vom Freiheitskampf gegen politische Unterdrückung in Hongkong, verbreitete sich dagegen sehr schnell unter dem Hashtag #Fischballrevolution #鱼蛋革命 auf Twitter – eine Anspielung auf die Fischbällchenverkäufer, deren Vertreibung die Unruhe ausgelöst hatte.

 

 

 

Im festlandchinesischen Internet wurde dieser Hashtag zwar rigoros zensiert, dennoch blieb dieser Augenzeugenbericht von „Joehohoho“ kurzzeitig auf Weibo verfügbar und wurde 14.000mal gelesen:

 

 

Heute Nacht habe ich mit eigenen Augen gesehen, wie die Polizei wieder einmal außer Kontrolle auf Menschen einschlug. Ich habe mit eigenen Ohren die zwei Schüsse gehört, aber am traurigsten war es, die Jugendlichen zu sehen, die keine Möglichkeit hatten die Straßenhändler zu verteidigen und daher ihrem Ärger Luft machten....這夜親眼看見警察情緒又再次失控地打人,親耳聽見兩聲槍聲,但最難過是看見因無法保護小販而激動及宣洩憤怒的年青人。

 

 

Der Hongkonger Demokratie-Aktivist Joshua Wong schlussfolgert in einem Blogbeitrag:

 

 

Gestern Abend habe ich in Mongkok gesehen, wie die Polizei in die Luft schoss. Wenn die Demonstranten sich nun entschieden haben, mit übertriebener Gewalt die Polizei anzugreifen, dann tun sie dies natürlich nicht nur um eine bestimmte politische Forderung zum Ausdruck zu bringen. Es geht auch nicht wirklich nur um die Straßenhändler, sondern sie richten sich gegen die unnachgiebige Kontrolle einer autoritären Regierung. Die Beziehungen zwischen Polizei und Bevölkerung haben sich schon dem kritischen Punkt genähert, wo solche feindseligen Situationen befördert werden. Immerzu kritisieren manche Menschen und Medien die Demonstranten, die Gesetze brechen und blind ihrem Ärger Luft machen. Diesmal kann man diesen Standpunkt auch gar nicht zurückweisen: Diese Gruppe von Protestierenden steht ja ganz offen dazu, dass sie, indem sie Gewalt mit Gewalt beantworten, das Gesellschafts- und Rechtssystem herausfordern und ihrer Unzufriedenheit Ausdruck verleihen wollen. 昨晚,我在旺角目擊警察向天開槍。...示威者選擇使用超出公眾預算的武力攻擊警方,當然不只為了表達針對特定議題的訴求,亦不是純粹因為不滿小販政策走上街頭,而是面對著威權政府的強硬管制 ... 警民關係已迫近臨界點促成敵對狀況,縱有輿論批評示威者違反法治以及盲目洩憤,但在此刻下,根本無法回應他們的立場:這群抗爭者會坦白承認他們根本就是要透過以暴易暴的方法,挑戰社會的法治和宣洩不滿。

 

 

 

Zum Weiterlesen

 

 

Deutsche Welle: „Straßenschlacht in Hongkong“, 09.02.2016.

 

 

Laura Ma and Rachel Blundy: „#Fishballrevolution: Hong Kong’s social media users react to violent Mong Kok hawker protest“, South China Morning Post, 09.02.2016.

 

 

Lisa Krauss: „Proteste in Hongkong: Was ist aus der Demokratiebewegung geworden?„, Stimmen aus China, 15.02.2015.

 

 

Yong Yang: „Proteste in Hongkong – größte Studentenbewegung seit 1989“, Stimmen aus China, 20.10.2014.

 

 

Lisa Krauss: „Mehr Frust als Lust – Wahlen und wählen in Hongkong“, Stimmen aus China, 17.08.2014.

 

 

Foto von Iris Tong via Wikipedia.

Kategorien: Gesellschaft, Politik, Tags: , , , . Permalink.

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