Print Friendly, PDF & Email

Zwei Jahre nach dem Erdbeben: Korruption in Beichuan

Der zweite Jahrestag des großen Wenchuan Erdbebens hat zahlreiche Erinnerungen geweckt und Emotionen ausgelöst. Während einige nur auf die positiven Seiten schauen (Vgl. Artikel „Lachen in Beichuan“) gibt es Andere welche die Lage in Sichuan nach dem Erdbeben kritischer betrachten. So auch ein Reporter der Hongkonger Zeitung MingPao, welcher einen Bauunternehmer in Sichuan interviewte und erschreckende Fakten über die Qualität des Wiederaufbaus aufdeckte.


Sind die Tofu-Gebäude* in Beichuans Chenjiaba Distrikt ein Einzelproblem, oder nur die Spitze des Eisbergs?

 

Ein Bauunternehmer aus der Stadt Mianyang, welcher bereits seit zehn Jahren in der Baubranche tätig ist, sagt, dass Chenjiaba bei den laufenden Absprachen zwischen Regierung und Geschäftsleuten [der Baubranche] hinter verschlossenen Türen keineswegs als Einzelfall bezeichnet wird. „Mein Heimatort ist das Dorf Dengjiadu, welches sehr nah bei Chenjiaba liegt. Letztes Jahr wurden dort nach einem Bau- und Finanzierungsplan der Regierung mehrere tausend Häuser gebaut. Nicht wenige davon sind Tofu-Gebäude – eins davon ist meins!“

 

Tofu-Gebäude bringen mehr Profit

 

Der Bauunternehmer sagt weiterhin, das bei Bauprojekten von Regierung und Bauindustrie vor dem 12. Mai (Anm. d. Übers. Jahrestag des Erdbebens) Regierungsbeamten Schmiergeld gezahlt werden musste. Für ein Bauprojekt in einer finanziellen Größenordnung von 1.100.000 Yuan musste den Regierungsbeamten 50.000 Yuan gezahlt werden. „Nach dem Erdbeben wurde das etwas besser. Wenn ich ein Bauprojekt von 1.000.000 Yuan durchführen wollte musste ich der Regierung nur noch 50.000 geben. Zahlt man nicht, ist es zu Ende [mit dem Bauprojekt; Anm. d. Übers.]!“. Er erklärt, dass nachdem ein Bauunternehmer so ein Gebot erfolgreich abgegeben hat, der reguläre Profit normalerweise bei maximal 30% liegt. Aber, wenn man die Qualität des Baumaterials vermindert würde der Profit „plötzlich“ auf bis zu 40% steigen. Dieses Prinzip sei bei Stahlverstärkungen und Zement schon zur Gewohnheit geworden. „Einige Decken erfordern 10cm [Stärke; Anm. d. Übers.], das ist nicht gerade wenig. Aber der Stahl ist zu dünn und die Qualität des Zements (die Konzentration) reicht nicht aus. Der Stahl hat sogar schon Mängel, wenn er aus der Fabrik kommt. Die Fabrik zeichnet den Stahl als 22 (Millimeter)dick aus, aber in Wirklichkeit sind es nur 20 – was für ein exklusives Geschäft!“

 

Wie man aus dem Nichts mehr Stahlverstärkungen und Zement hervorzaubert

 

Am Tag des Interviews beginnt der Bauunternehmer in einem kleinen Ort, welcher zur Administration der Stadt Mianyang gehört, eine Straße zu bauen. Er gibt ein paar Anweisungen an seine Angestellten und die Arbeit beginnt. Er sagt: „wie kann man am Baumaterial sparen? Beispielsweise so: für einen Quadratmeter Beton sollten eigentlich 200 Jin Zement verwendet werden aber, der Typ gibt dir einfach ein paar hundert Jin weniger für den Quadratmeter, da spart man schon ein paar Yuan. […] Wenn es noch mal ein 8.0 Erdbeben gibt ist das mit Sicherheit alles komplett im Eimer! Ein zusätzliches Problem sind die Steine in der Betonmischung. Nach den offiziellen Regeln darf der Durchmesser nicht mehr als fünf Zentimeter betragen. Aber, die sind mit Sicherheit dicker, ist billiger!“ Er fährt fort: „die äußere Zementschicht an den Säulen der Tofu-Gebäude im Chenjiaba Dorf platzen ab, das ist genau wegen diesen Problemen. Das führt nach einer Weile dazu, dass das [überschüssige] Wasser trocknet und eine große Anzahl von Löchern [im Beton] entstehen. Blättert die äußere Schicht ab, sieht man schon große tiefe Löcher.“

 

Die Bauunternehmer der Tofu-Gebäude sind am Wiederaufbau beteiligt

 

Die Regierung droht mit ernsthaften Strafen für Bauherren die gegen die Regeln verstoßen, aber diese gewissenhaften Bauherren rauchen sich eine, seufzen tief und sagen: „die Bauherren (Lu Wanchun), die das Tofu-Gebäude der Mittelschule in Beichuan gebaut haben, arbeiten beim Wiederaufbau nach dem Desaster wieder mit und der Schuldirektor der Mittelschule Zhao Changlun unterrichtet auch wieder. Gierig versucht er, von den Familien der verstorbenen Schüler finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau der Schule zu bekommen.“

 

Wen trifft die Schuld der Tofugebäude?

 

Mingpao veröffentlichte nach dem Jahrestag des Erdbebens mehrere kritische Artikel, welche auf diversen Chinesischen Internetseiten zitiert oder vollständig wiedergegeben wurden. Im Folgenden einige Kommentare zu dem Thema von der Seite:

 

Ich kann die Fotos von den Schulgebäuden nicht vergessen, die Schultonnen auf dem Boden… Oh, Blut und Tränen befleckt! (chin. Ausdruck tiefster Bestürzung; Anm. d. Übers.)忘不了那些校舍照片,那些地上的书包......血泪斑斑噢!

 

Der User „Gierige Regierungsbeamten ausrotten灭掉贪官 “ ist, im Einklang mit seinem Namen, radikaler Ansichten, was das Problem der Tofu-Gebäude angeht:

 

Diese gierigen, niederträchtigen Beamten muss man ohne Gnade umbringen! Liu Qibao, Parteisekretär der Provinz Sichuan, du musst diese Tofu-Bauprojekte ganz genau untersuchen, wenn nicht, verletzt du deine Pflicht!对于一切贪腐官员,必须杀无赦!四川省委书记刘奇葆,你必须对此豆腐渣工程彻查,否则,你就是渎职!

 

Ein weiterer Netizen befindet die Gesellschaft für schuldig:

 

Was kann man bei so einer Gesellschaft noch machen! Wie soll man solche Unsitten wieder unter Kontrolle kriegen?? Wo ist bleibt denn da die Zukunft [unseres] Landes? Wenn dass so weitergeht, wie kann man da noch von wissenschaftlichem Entwicklung und harmonischer Gesellschaft sprechen!!!!!!!!!这个社会怎么办呀!这种风气怎么治理!国家的前途究竟在那里呀? 这样下去怎么还能谈科学发展、合谐社会呀!!!!!!!!!

 

Ein anonymer Kommentar sieht die Regierung als Grund für die Korruption im ehemaligen Katastrophengebiet:

 

Ein krummer Stock wirft auch einen krummen Schatten [Ein Sprichwort im Sinne: wenn die Herrschenden sich falsch verhalten, werden es die Untergebenen auch tun; Anm. d. Übers.] So ist China schon seit ewigen Zeiten…上梁不正下梁歪,自古中国就这样。。

 

 

* „Tofu-Gebäude“ ist ein von dem Aktivisten Tan Zuoren geprägter Ausdruck für Gebäude im Erdbebengebiet, welche auf Grund von Korruption in extrem schlechter Qualität gebaut wurden und bei dem Erdbeben zusammenbrachen als wären sie aus Tofu. Besonders unter den Schulgebäuden im Erdbebengebiet gab es zahlreiche „Tofu-Gebäude“

 

Kategorien: Gesellschaft, Politik, Tags: . Permalink.

Ist Ihnen dieser Beitrag eine Spende wert?
Dann nutzen Sie die Online-Spende bei der Bank für Sozialwirtschaft oder über PayPal.
Sicher online spenden über das Spendenportal der Bank für Sozialwirtschaft(nur Überweisung über 1 Euro.)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.