Print Friendly, PDF & Email

Nach dem Erdbeben: Die Schwiegereltern sind da

Zusammenfassung: Die Autorin Lan berichtet, wie sie in Peking von dem schlimmen Erdbeben erfahren hat und versucht Kontakt zur Familie ihres Mannes in Sichuan aufzunehmen.
Am Nachmittag des 12.5. saß ich gerade auf dem Boden und machte ein Experiment als die Sekretärin vom 3. Stock heruntergerannt kam. „Ein Erdbeben, habt ihr das gespürt?“, „Nein, ich habe nicht ein bisschen gespürt.“, „Ich saß gerade im 3. Stock und habe auf den Computer geschaut, als mir plötzlich schwindlig wurde. Dann habe ich gemerkt, dass die Lampe wackelt“, erzählte sie uns. Es war nicht das erste Mal, dass es in Peking gebebt hat. Zu dem Zeitpunkt habe ich mir das nicht zu Herzen genommen.

Kurz danach bin ich in den 1. Stock um etwas zu suchen. Ich habe einen Anruf von meinem Mann bekommen: „In Sichuan war ein Erdbeben. XL (mein Schwager) hat angerufen und erzählt, dass er gesehen hat, wie der Berg zusammengebrochen ist. Er hat zuhause (Zuhause waren meine Schwiegereltern und die Familien meiner beiden Schwager) angerufen, ist aber nicht durchgekommen und war sehr aufgeregt. Danach habe ich auch immer versucht zuhause anzurufen, bin aber nicht durchgekommen.“, „Ruf als nächstes deinen Kollegen dort an, so kannst du wenigstens etwas über die Lage dort erfahren“, sage ich.
Vor dem Feierabend habe ich im Internet noch die Nachrichten über das Erdbeben durchgesehen. Plötzlich war ich von den hereinkommenden Nachrichten sehr erschrocken.
Ich hatte ein verhängnisvolles Gefühl, mein Herz schlug schneller. Abends versuchten wir ohne Unterbrechung nach Hause zu telefonieren, jetzt erreichten wir nicht mal mehr XL.
Nach 10 Uhr bekamen wir einen Anruf von JY, meiner Schwägerin. Kaum hatte sie berichtet, dass alle in der Familie wohlauf sind war die Verbindung unterbrochen. Allerdings wurde ich etwas ruhiger und fing an die Lage über die Rettungen im Fernsehen anzuschauen.
Am 13. kamen die Nachrichten über die Katastrophe herein. Ich war maßlos bekümmert. Ich habe es voller Schmerz verfolgt.
Abends sagte LG, dass er einen Anruf von JY bekommen hatte. Zuhause gäbe es kein Wasser, keinen Strom und kein Gas mehr. Man könne auch nicht mehr zuhause übernachten. Sie sei nur schnell nach Hause gegangen um zu telefonieren. Ich fragte LG, wo sie jetzt wohnen und was sie essen würden. Er sagte, dass er nicht mehr dazu gekommen sei das zu fragen. Wir sahen, wie es in Sichuan regnete und machten uns Sorgen um die Familie, wie sie im Dunkeln die lange, feuchte Nacht verbringt.
Am 14. machte ich nach dem Aufstehen als erstes den Fernseher an und sah das Erdbeben in Wenchuan. Meine Gefühle schwankten mit den Nachrichten. Abends bekamen wir wieder einen Anruf von JY und wir fragten, ob es noch eine Ecke gäbe, in der man sich vor dem Regen schützen könne und ob es noch Nahrungsmittel zum kaufen gäbe und ob es ruhiger geworden sei. JY sagte, dass XL arbeiten gegangen sei. Den ganzen Tag hätte es keine Nachrichten gegeben. Die Fabrik, in der er arbeitet, ist gut 10 km von Beichuan entfernt. JY machte sich große Sorgen um XL. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich konnte sie nur ein bisschen trösten. Ich machte den Vorschlag, dass die Schwiegereltern hier her kommen sollten. JY sagte, dass das momentan nicht nötig sei. Ich verfolgte weiter alle Nachrichten im Internet und Fernsehen über das Erdbeben in Wenchuan.
Am 15. hielt es LG schließlich nicht mehr aus und beschloss etwas zu unternehmen. Er wollte nach Sichuan und seine Eltern herholen oder wenigstens ein Zelt und ein paar Nahrungsmittel schicken. Er wusste nicht ob die Straße von Chengdu nach Jiangyou frei ist. Er hat mit einem Freund in Chengdu ausgemacht, dass er ihn nach Jiangyou bringt. Das Flugticket hatte er schon gekauft. Dann hat er schließlich noch mal mit meinem Schwager XL Kontakt aufgenommen. XL sagte, dass die Kommunikation in der Firma zusammengebrochen sei. Das Firmengebäude sei auch eingestürzt. Nachdem wir noch einige Male Kontakt aufgenommen hatten, haben wir schließlich ausgemacht, dass die Schwiegereltern von XL nach Chengdu geschickt werden. Von LGs Freund werden die zwei Alten dann zum Flughafen ins Flugzeug gebracht. Die Kinder kommen vorerst nicht.
Am 16. mittags sind wir zum Pekinger Flughafen und haben die Schwiegereltern abgeholt. In dem Flieger aus Chengdu waren viele Alte und Junge. Sie hatten nicht viel Gepäck. Man konnte sehen, dass sie hierher gekommen waren um Schutz zu suchen. Schließlich haben wir die Schwiegereltern gesehen. Obwohl sie etwas gealtert und ausgezehrt aussahen war ihre geistige Verfassung nicht schlecht. Dass die beiden Alten hier bei uns sind und nicht bei Wind und Wetter draußen sein müssen, ist in diesen leidvollen Tagen eine tröstende Nachricht.
27.5.2008

Quelle:
http://bbs.bokee.com/Thread.1.1235925.124.1.1.html
Zugriff am 22.6.2008

Ãœbersetzt von Isabelle Harbrecht

Kategorien: Archiv bis 2009. Permalink.

Ist Ihnen dieser Beitrag eine Spende wert?
Dann nutzen Sie die Online-Spende bei der Bank für Sozialwirtschaft oder über PayPal.
Sicher online spenden über das Spendenportal der Bank für Sozialwirtschaft(nur Überweisung über 1 Euro.)