Print Friendly, PDF & Email

Ein Hauch von Reform? Eröffnung der ersten chinesischen Freihandelszone in Shanghai

Pudong - Shanghais Wirtschafts- und Finanzzentrum © Daniel Soesanto

Am 29. September 2013 eröffnete in Shanghai eine „Pilot-Freihandelszone“. Dort heißt es für 18 Industriezweige und bisher 25 ausländische und chinesische Firmen: weniger Steuern, weniger Bürokratie und Aufhebung der Zollbeschränkungen. Außerdem soll eine freie Konvertierung der chinesischen Währung ermöglicht werden sowie die Öffnung des Finanzsektors. Ein erfolgversprechendes Vorhaben?

 

Für die chinesische Wirtschaft ist eine solche Freihandelszone bisher einzigartig. Bestimmt wurde die Entscheidung für die Errichtung von dem Wunsch, China als Wirtschaftsstandort für ausländische Firmen weiter interessant zu halten und dem Rückgang des Wirtschaftswachstums entgegenzuwirken. Die Frage, inwiefern die „Pilotzone“ in Shanghai als Indikator für landesweite Reformen des Wirtschaftssektors gilt, ist deshalb Gesprächsthema Nummer eins. CCTV Kommentator Xu Yili gibt eine vorsichtige Einschätzung.

 

Ohne Weiterverfolgung der Reformen wird der durch die Öffnung generierte Reichtum unweigerlich nur kurzfristig bestehen und sogar Risiken nach sich ziehen. Nur wenn Reform und Öffnung parallel laufen, können langfristig positive Effekte auftreten und national adaptiert werden. (…) Reichtumseffekte sind leicht, Reformeffekte allerdings schwer zu generieren. Deshalb muss den Reformen in Shanghai höchste Priorität beigemessen werden.没有改革的跟进,开放带来的财富效应注定将是短期的,甚至是更具风险的。只有改革与开放并行,效应才能长期释放,并为全国复制。 (…)。创造财富效应易,创造改革效应难,改革应该是上海自贸区建设的重中之重。

 

Shanghais Chance

 

Der Standort Shanghai ist für diesen Reformversuch bewusst von der Regierung gewählt, so wie auch der Boom der Stadt genau geplant wurde. Vor gut 20 Jahren hatte die Regierung entschieden, Shanghai zu einer asiatischen Wirtschaftsmetropole zu machen, baute den größten Hafen der Welt und zahlreiche Wolkenkratzer. Im Angesicht der Veränderung der weltweiten Wirtschafts- und Handelssituation und der Konkurrenz mit anderen asiatischen Städten wie Singapur kann Shanghai mittlerweile kaum noch mithalten. Dieser Meinung ist auch Netizen „Großer Unsterblicher vom Nanshan“, der einen Artikel von china.com weiterleitet.

 

Dass Shanghai zu einem Finanz- und Logistikzentrum für ganz Asien wurde, lag daran, dass China für seine wirtschaftliche Entwicklung einen einzigen, nationalen Hafen für den Außenhandel brauchte. Die Schiffe, die heute für den internationalen Schiffsverkehr gebaut werden, sind jedoch immer größer, so dass sie bei Shanghais Lage am Kontinentalsockel nur noch eingeschränkt in den Hafen einlaufen können. Shanghais Position als Freihandelshafen ist nicht mehr sicher und dass die Stadt nach und nach ihre Position als Logistikzentrum verliert, ist auch nur noch eine Frage der Zeit. Danach wird China auch noch seine Position als Finanzzentrum verlieren. Shanghai als (bisher) einzige Freihandelszone Chinas auszuwählen, ist eine sehr weise und zeitlich passende Entscheidung.上海能成为整个亚洲的金融中心和物流中心,是因为中国的经济发展必须要有个对外统一口岸。  但是,由于当今世界航运的船越造越大,上海的大陆架地形导致大船进不了港,(…)上海自由贸易港的地位不稳定,上海慢慢地失去物流中心的地位也是时间问题,接着将会失去亚洲金融中心的地位。上海将成为中国唯一的“自贸区”,这一英明决策来的非常及时。

 

Kein substanzieller Durchbruch

 

Die Freude oder auch Sorge vor grundsätzlichen Veränderungen teilen aber nicht alle. Wirtschaftswissenschaftler Ma Yu meint dazu:

 

Jetzt, wo die mysteriöse Verschleierung um die Freihandelszone in Shanghai aufgehoben wurde, treten allmählich auch die Verwaltungsregeln zutage (…). Leider wird nun meine Meinung, die ich schon vor der Eröffnung der Zone hatte, vollkommen bestätigt. Das Design der Freihandelszone in Shanghai ist großartig, ebenso wie die Propaganda, der mediale Effekt sowie die Reaktion des Marktes. Aber bei einer genauen Analyse zeigt sich, dass fast alle Konzepte und Formalitäten eigentlich nur der Politik des bisher bestehenden Systems folgen und ihnen ein substanzieller Durchbruch fehlt.随着上海自贸区神秘盖头的逐步掀开,各项管理细则的陆续出台 (…)。但很遗憾,目前为止出台的各项政策,恰恰印证了笔者此前的观点,即上海自贸区的设计方案很宏大、宣传力度很宏大、媒体效应很宏大、市场反应也算是很宏大,但细细分析有关措施,却发现几乎都流于概念和形式,基本沿袭了现有体制内政策,而缺乏实质性的突破。

 

Viel Wind wurde in den chinesischen und westlichen Medien auch um Fragen der Lockerung von Politik und Liberalisierung der Medien gemacht, die für Ausländer besonders komfortabel sein sollen. Vom unzensierten Internet war die Rede. Netizens wie „armand“ verstehen die ganze Aufregung aber nur bedingt. Denn worum geht es in einer Freihandelszone, wenn nicht Akkumulation von Geld.

 

Die Freihandelszone in Shanghai ist ein Handelskonzept und hat mit Politik nichts zu tun. Warum sollte man dort freie Medien haben, warum NGOs freier handeln lassen? Welchen Vorteil hat das für‘s Geldverdienen? Geschäftsmänner brauchen einen Ort, an dem sie ungestört reich werden können, abgelegen vom Medien- und Politikrummel. Schaut euch doch Singapur und Hongkong an. Das eine hat freie Medien und NGOs und vollständige Freiheiten, das andere ist autokratisch und hat keine Publikationsfreiheit. Und wessen Entwicklung war im letzten Jahrzehnt erfolgreicher?自贸区是个商业概念,和政治无关,为什么要开放媒体,为什么要开放社会组织,这些对赚钱何益。商人就要一个地方能安安心心赚大钱,远离政治和媒体漩涡。你看香港和新加坡,一个开放媒体和社会组织,完全自由,一个权威体制,不许自由出版,近十年谁发展的更好?

 

Inwiefern die Freihandelszone in Shanghai tatsächlich wirtschaftliche Reformen ebnen kann, wird sich erst noch zeigen. Sicher ist, dass sie immerhin bei westlichen Firmen Hoffnungen für neue Interaktionsstrukturen mit dem chinesischen Markt weckt.

 

Zum Weiterlesen

 

Marcel Grzanna: „Angriff auf Chinas Wirtschaftssystem“, Süddeutsche, 28.09.2013.

 

The Guardian: “China Opens Shanghai Free-Trade Zone”, The Guardian, 29.09.2013.

 

Michael Schuman: “China has a Free-Trade Zone, so Now What?”, Time, 20.09.2013.

 

 

Kategorien: Politik, Wirtschaft, Tags: , , , , , , , , . Permalink.

Ist Ihnen dieser Beitrag eine Spende wert?
Dann nutzen Sie die Online-Spende bei der Bank für Sozialwirtschaft oder über PayPal.
Sicher online spenden über das Spendenportal der Bank für Sozialwirtschaft(nur Überweisung über 1 Euro.)

Eine Antwort zu Ein Hauch von Reform? Eröffnung der ersten chinesischen Freihandelszone in Shanghai

  1. avatar Lara sagt:

    Ich denke, dass sich daraus auf jeden Fall Vorteile ergeben. In der Freihandelszone Shanghai sollen die bürokratische Schranken fallen. Das heißt, dass dann auch Ausländer investierem und ausländische Banken Filialen aufmachen dürfen. Einige Branchen, die in China sonst unter starker Kontrolle stehen, sollen angeblich innerhalb der Zone auch geöffnet werden. Man darf gespannt sein, wie sich das entwickelt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.