Auf dem jüngsten Parteitag ernannte der designierte Staatspräsident den Kampf gegen Korruption zur dringendsten Aufgabe Chinas. Jetzt folgen den Worten Taten. Ein Parteifunktionär steht im Fokus der Korruptionsermittler und ein Journalist erhebt online Vorwürfe gegen den Direktor der staatlichen Energiebehörde.
Schon in seiner Antrittsrede verkündete Xi Jinping, der neue KPCh-Generalsekretär, dass der Kampf gegen Korruption unter seiner Ägide Priorität genießen werde. Nun wird deutlich, dass Xi ernst macht.
Seit dem 5. Dezember 2012 ermittelt die chinesische Anti-Korruptionskommission gegen den Vize-Parteisekretär der Provinz Sichuan, Li Chuncheng. Li ist damit der erste hochrangige Parteifunktionär, der ins Fadenkreuz der Kampagne gegen Korruption geraten ist.
Den Ermittlungen gegen Li gingen Enthüllungen voraus, die im Umkreis des Geschäftsmanns Dai Xiaoming ans Tageslicht gekommen waren. Dai war Vorsitzender der Chengdu Industry Investment Group und steht unter Verdacht, Lokalbeamte bestochen zu haben, um Zugang zu Sichuans Ölindustrie zu erhalten. Über die Verstrickung zwischen Li und Dai schreibt der Blogger „Jinshiyi12“ auf der liberalen Diskussionsplattform Tianya:
Warum ist Li Chuncheng jetzt also gestürzt? Auch wenn in der Berichterstattung darüber nichts erwähnt wird, weiß jeder, der sich damit beschäftigt, dass Li wegen Dai Xiaoming gestürzt worden ist. Man könnte sagen, dass Li die Erde ist, die an einer ausgegrabenen Rübe hängt.那么,李春城又因何落马呢?事实上,李春城落马的原因,虽然报道中没有提及,但是,关注此事的人都清楚,李春城是受戴晓明案牵连而落马的,可以说,李春城是拔出的“萝卜”带出的“泥”。
Dass die Ermittlungen gegen korrupte Kader mit Chinas Führungswechsel und dem neuen Wind von Xi Jinpings Agenda zu tun haben, deutet „Jinshiyi12“ mit einer Redewendung an:
Vielleicht ist der Sturz Li Chunchengs das beste Beispiel für das Sprichwort „Der Kaiser einer Dynastie ist der Vasall der nächsten Dynastie“.李春城的落马,或许正是“一朝天子一朝臣”的最好诠释。
Vorwürfe gegen den Vorsitzenden der chinesischen Energiebehörde
Am 6. Dezember ereignete sich ein weiteres Novum. Der stellvertretende Chefredakteur des einflussreichen Magazins Caijing, Luo Changping, beschuldigte in einem Sina Weibo Tweet den Vorsitzenden der staatlichen Energiebehörde, Liu Tienan, des akademischen Schwindels:
Minister Liu Tienan steht unter Verdacht, sein akademisches Abschlusszeugnis gefälscht zu haben.部级高官刘铁男涉嫌学历造假。
Luo bezichtigt den Minister außerdem der Korruption:
Liu Tienan und der Geschäftsmann Ni Ritao sind ein Bündnis eingegangen. Lius Frau Guo Jinghua und sein Sohn Liu Decheng besitzen Aktien des Unternehmens von Ni (…) und haben sich Kredite chinesischer Banken erschlichen.刘铁男与商人倪日涛结成官商同盟,其处级妻子郭静华、儿子刘德成在倪公司持有股份,(…)骗贷国内银行。
Korruptionsvorwürfe gegen Politiker gehören in China (fast) zur Tagesordnung. Meist stammen sie jedoch aus der Blogosphäre und sind namens- bzw. gesichtslos. Als namhafter Journalist Vorwürfe zu erheben, ist hingegen mit großen Risiken verbunden. Zeitgleich zu den Tweets veröffentlichte Luo einen Blogeintrag, in dem er die Anschuldigungen gegen Liu konkretisiert.
Chinas Jahr der Skandal-Enthüllungen
2012 wird vielen Chinesen als das Jahr in Erinnerung bleiben, in dem eine Vielzahl von Korruptionsskandalen die politische Landschaft erschütterte. Dem Sturz des Hoffnungsträgers Bo Xilai folgten Enthüllungen der Privatvermögen von Xi Jinping und Wen Jiabao, dem scheidenden Premier. Ende November stolperte der Parteifunktionär Lei Zhengfu über einen Internetfilm, der ihn beim Sex mit einer Gespielin zeigt. Und schließlich flogen Anfang Dezember binnen weniger Tage gleich mehrere Sexskandale auf, die ein Schlaglicht auf die Mätressenwirtschaft der chinesischen Politik werfen. Ob Xi Jinping nun tatsächlich neuen Wind in die Korruptionsbekämpfung bringen kann, wird sich jedoch erst noch zeigen müssen.
Zum Weiterlesen:
Luebke, Fabian: „Korruption zentrales Thema beim 18. Parteitag der KPCh – Veröffentlichung der Vermögensverhältnisse die Lösung?”, Stimmen aus China, 24. November 2012
Richter, Steffen: „Mit Sexfilmen gegen die Korruption“, Zeit online, 28. November 2012