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Chinas Bildungswesen: Alle Macht der Partei

Chinas Bildungswesen: Alle Macht der Partei

Gehört diese Freiheit der Vergangenheit an? Student in Hangzhou, 2012, © Lawrence Wang via Flickr.

Die chinesische Regierung übt immer stärkeren ideologischen Druck auf Universitäten und Schulen aus. Wie Chinas Netizens berichten, stößt diese lange überholt geglaubte Politik auf wenig Zustimmung.

 

 

Die Übergriffe auf das Bildungswesen sind vielfältig. Die Partei legt Tabuthemen für den universitären Betrieb fest, verstärkt das marxistische Kursangebot und zwingt Lehrpersonal zum Parteibeitritt. Legitimationsgrundlage hierfür ist die seit Monaten andauernde Parteikampagne zur Verstärkung der Loyalität in wichtigen Teilen des öffentlichen Lebens. Dieser Prozess verlief schleichend und hat mittlerweile auch Universitäten und Schulen erreicht, die den Zwang zu mehr ideologischer Treue gegenüber der Partei zu spüren bekommen.

 

Angeordnete Loyalität

 

In den sozialen Netzwerken teilen Studenten und Angestellte ihre Erfahrungen und Sorgen angesichts dieser rückwärtsgewandten Entwicklung. Englischlehrerin „Yehuoding“ schreibt beispielsweise:

 

Während einer Lehrerkonferenz hörte ich mit einem Ohr dem Schulleiter zu. Dieser betonte mal wieder, dass die Lehrer in den Klassen die „Parteidisziplin“ befolgen müssen und nicht zu kritisch über einige Themen reden sollten.开会时(。。。)校长也再次强调了教师在课堂上时候遵守政治纪律,不要某些话题品头论足。

 

Es darf nicht über alles geredet werden

 

Aus einem Kanon von sieben Tabu-Themen (七不讲) hebt die Universität Hongkong besonders die Meinungs- und Pressefreiheit sowie die historischen Fehler der KPCh hervor. Ein Wirtschaftsprofessor aus Peking mahnt angesichts dieser Entwicklung:

 

Vielleicht fühlt die KPCh, dass die gesellschaftliche Krise immer dramatischer wird, aber ich denke, dass man sich dadurch nur in eine noch größere Krise begibt.也许是中共感到社会危机愈来愈严重 (。。。)“但我认为这样只会陷入更大的危机。

 

Aus Erfahrung spricht auch der chinesische Professor für Verfassungsrecht Zhang Xuezhong, der sich für die Verbannung der Marxismus-Kurse aus den Universitäten stark machte und 2013 entlassen wurde:

 

In China legt man Kritikern des Marxismus, des Maoismus und der Deng Xiaoping-Theorien beim Unterrichten, bei der Jobsuche oder der Beförderung einfach Steine in den Weg. Dadurch sind sie gezwungen, ihre tatsächlichen Ansichten zu verheimlichen und die offizielle Doktrin anzupreisen.在中国,那些对马克思主义哲学、毛泽东思想或邓小平理论进行直率批评的人,很容易在教育、就业或升迁等方面遭遇不利的后果。因此,在各种重大的原则性问题上,(…) 也不得不把自己真正相信的原则隐藏起来,并极力使自己的言论看上去合乎自己并不相信的官方学说。

 

Universitätsmitarbeiter wie Vertrauenslehrer und Tutoren müssen seit neuestem das Parteibuch der KPCh besitzen und Studenten rekrutieren. Weibo-Nutzerin YK2017KY erzählt von ihren eigenen Erlebnissen:

 

Während des zweiten Studienjahres an der Universität kamen die Studienberater in unseren Maoismus-Unterricht und wollten mich rekrutieren. Also habe ich danach geschwänzt. Im nächsten Semester habe ich dann noch einmal geschwänzt und dadurch die Klausurthemen nicht mitbekommen. Den Kurs habe ich natürlich nicht bestanden…大二上学期一节毛概课,辅导员来找我入党,结果我逃课了 大三上学期,因为最后逃课,不知试题规则,结果挂科了

 

Ausländische Gedanken = schlechter Einfluss?

 

Als weitere Maßnahme strebt die Regierung an, Lehrbücher mit westlicher Ideologie aus den Klassenzimmern zu verbannen. Dies betrifft insbesondere solche Bücher, die die KPCh oder den Sozialismus angreifen oder diffamieren. Netizen 5290913068, der offensichtlich als Lehrer arbeitet, äußert sich dazu folgendermaßen:

 

Und ich soll die Studenten nach den Regeln des Bildungsministers unterrichten! Keine Bücher mehr mit westlichen Werten, keine Diffamierung der Partei und keine Verleumdung des Sozialismus! Ein Lehrer darf keinen persönlichen Ärger oder Unzufriedenheit im Unterricht äußern. Und, kluge Leser, was habt ihr zwischen den Zeilen gelesen?给学生讲课!教育部袁贵仁规定。第一条,严禁传播西方价值观!第二条,严禁诽谤党,抹黑社会主义!第三条,严禁发表诋毁宪法和法律的言论!严禁教师在课堂上发牢骚,泄怨气。聪明如你,从中读懂了什么?

 

Tabuthemen, Bücherverbannung und Parteimitgliedschaft: China scheint die Zukunft seines Staats- und Bildungssystems rigoros kontrollieren zu wollen. Aus offiziellen Kanälen hört man hingegen selten, wie dies mit den zwangsläufig von mehr Weltoffenheit geprägten Erfahrungen unzähliger chinesischer Auslandsstudenten zusammenpasst, unter denen sich viele Kinder hochrangiger Politiker befinden wie z.B. die Tochter von Xi Jinping. Dazu kommentiert User „Ying Jianggang“:

 

Also können wir ja jetzt auch keine Schüler und Lehrer mehr an europäische oder amerikanische Universitäten schicken. Und das, obwohl der Bildungsminister ja vielleicht selber Kinder hat, die in Amerika studieren?教育部长的禁令似乎还忘记一件事情,西方价值观传播的重点是在西方的大学,以后规定不得再让学生教师去欧美留学了,部长是不是自己也有孩子在美国读书啊?

 

Zum Weiterlesen:

 

Petra Kolonko, Die Gleichschaltung des Denkens, 11. Januar 2015, Frankfurter Allgemeine Zeitung

 

Hannah Beech, China’s College Counselors told to join the Party, 19. November 2015, Time Magazine

 

Raymond Li, Seven subjects off limits for teaching, Chinese universities told, 10. Mai 2013, South China Morning Post

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