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China verurteilt Homosexuellen-Therapie

Unterstützer demonstrieren vor einem Pekinger Bezirksgericht © Screenshot von Queer Comrades

Im März 2014 hatte ein homosexueller Mann eine Praxis für Psychotherapie aus Chongqing bei einem Pekinger Bezirksgericht angeklagt. Die Praxis habe ihn von seinen sexuellen Neigungen „heilen“ sollen. Seit der Therapie mit Hypnosen und Elektroschocks sei der Mann jedoch traumatisiert.

 

Die Klage richtete sich auch gegen die chinesische Suchmaschine Baidu, da diese Werbeanzeigen für die betroffene Praxis veröffentlicht hatte. Die Eltern des dreißigjährigen Mannes hätten ihn angeblich unter Druck gesetzt, sich der so genannten Reparativtherapie zu unterziehen. Er sollte danach einen Frau heiraten und Kinder bekommen. Am 19. Dezember 2014 gab das Gericht dem Ankläger schließlich Recht. Im Urteil heißt es, dass die „Therapie“ überhaupt nicht nötig gewesen sei, da es sich bei Homosexualität nicht um eine Krankheit handele. Die Praxis muss dem Mann nun ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.500 Yuan (ca. 460 Euro) zahlen und eine offizielle Entschuldigung auf ihrer Webseite veröffentlichen. Hierbei handelt es sich um den ersten Gerichtsfall, der sich mit der „Therapie“ gegen Homosexualität auseinander setzt.

 

Ein wegweisender Schritt

 

Viele Homosexuelle in China sehen das Gerichtsverfahren als eine Gelegenheit für die Bevölkerung, ihre Vorurteile gegenüber Homosexualität kritisch zu reflektieren. So wie der Kommentar in einem Blog für Schwule zeigt:

 

Man wird nun über folgendes nachdenken: Wenn Homosexualität wirklich keine Krankheit ist und sie deshalb nicht behandelt werden muss, warum sollte man Homosexuelle dann ablehnen? (…) Der erfolgreiche Ausgang des Falls hinsichtlich der „Reparativtherapie“ ist wichtig für nachfolgende Anklagen, die sich dann auf diesen ersten Fall beziehen werden.许多人会冷静下来,暗自揣测:假如同性恋真的不需要治疗,假如同性恋真的不是疾病,那么为什么又要反对同性恋呢?(…)今后,如果再有类似的“同性恋矫正”纠纷,这回同性恋的胜诉就是一个活生生的案例,在法庭的裁决方向上具有十分重要的参考与指导意义。

 

Offensiv kämpfen statt sich verstecken

 

Da sich die meisten Aktivitäten der Homosexuellen in China im Untergrund abspielen, ist für den Blogger Mai Cao der Gerichtsfall ein lobenswerter Schritt im Sinne des öffentlichen Kampfes der Homosexuellen für ihre Rechte.

 

Von der Unsichtbarkeit hin zu öffentlichen Gerichtsverfahren, haben Chinas Homosexuelle und deren Organisationen für die Rechte Gleichgesinnter einen offensiven Weg eingeschlagen. Dies schürt die Hoffnung und verdient Respekt.从遮遮掩掩到诉诸法律,中国的同性恋者及同性恋团体已走上了主动出击、广泛连结和动员的平权之路,值得期待与致敬。

 

Diskriminierung macht Homosexuelle „krank“

 

Zwar gilt Homosexualität in China seit 2001 nicht mehr als Geisteskrankheit, doch sind Schwule und Lesben weiter Vorurteilen ausgesetzt. Wer seine Homosexualität bekannt gibt, stößt oft auf Ablehnung. Darin sieht Mai Cao einen Grund, warum die „Reparativtherapien“ so stark nachgefragt werden.

 

Wegen der gesellschaftlichen Verleumdung und Diskriminierung nehmen manche Homosexuelle oder deren Familie oft alle möglichen „Reparativtherapien“ in Anspruch, um dem gesellschaftlichen Druck zu entkommen und ein „normales“ Leben zu führen. Man kann sagen, dass es die gesellschaftliche Diskriminierung ist, die manche Praxis für Psychotherapie so boomen lässt (…).由于社会污名和歧视,部分同性恋者或其父母、家人,为摆脱压力、过上 “正常人”生活,常寻求于此类五花八门的“扭转治疗”。可以说,是社会的歧视让一些心理诊所有了可乘之机(…)

 

Gegenüber der Diskriminierung der Homosexualität stellt ein Netizen einen interessanten Vergleich an:

 

In der Vergangenheit ließen wir die Männer entscheiden ob Frauen eine Ausbildung machen dürfen und die Weißen entscheiden, was mit dem Leben der Schwarzen passiert. Später hielten wir es alle für absurd. Heute lassen wir aber die Heterosexuellen entscheiden, ob Homosexuelle sich lieben dürfen….曾经,我们让男人来决定女人该不该受教育,白人决定黑人能不能活下去,后来我们都认为这是荒诞的,如今,我们却又让异性恋来决定同性恋能不能相爱。

 

Erst Aufklärung kann Betrug stoppen

 

Praxen wie die in Chongqing sind in China weit verbreitet. Sie behaupten, Homosexualität „heilen“ zu können. Sie präsentieren sogar ihren „Erfolg“ und zeigen, wie ihre Patienten nach der Behandlung geheiratet und Kinder bekommen haben. Der Blogger Hu Zhijun, Geschäftsführer von PFLAG China, einer Nicht-Regierungsorganisation für Homosexuelle in Guangzhou, findet, dass erst durch eine umfassende Aufklärung die Betrügereien solcher Praxen zu stoppen seien.

 

Nur wenn wissenschaftliche Informationen (über Homosexualität) verbreitet werden, wird sich die Lage ändern: Die Homosexuellen werden keine Angst mehr vor ihrer sexuellen Orientierung haben und ihre Eltern werden sich nicht mehr wegen der Homosexualität der Kinder schämen. Dann haben sie keine Motivation mehr, sich „heilen“ lassen zu wollen. So werden die Betrügereien der „Behandlung“ automatisch keinen Platz mehr finden.  只有当科学的信息得以传播,大环境慢慢改变,同志不再因性倾向而惶恐焦虑,父母不再因孩子是同性恋而感到丢人,没有了期待改变的动力,同性恋的治疗骗局自然也就没了市场。

 

Mittlerweile gibt es in China verschiedene Antidiskriminierungsgesetze, wie z.B. für Frauen, Behinderte, ethnische Minderheiten oder ältere Menschen. Aus Sicht der chinesischen Justiz ist Homosexualität zwar keine Geisteskrankheit mehr, es fehlen jedoch Gesetze um ihre Rechte zu schützen. Der Staat besteht immer noch auf die so genannten „drei Neins“ hinsichtlich der Homosexualität: nein zur Billigung, nein zur Missbilligung und nein zur Förderung. So müssen Homosexuelle also weiterhin allein gegen die alltägliche Diskriminierung kämpfen.

 

 

 

 

Zum Weiterlesen

 

Yong Yang: „Wen darf ich lieben? – Gleichgeschlechtliche Ehe in China“, Stimmen aus China, 14. 01.2014.

 

Peking: Klinik muss Entschädigung für ‚Homosexuellen-Therapie‘ zahlen“, Spiegel Online, 19.12.2014.

 

Homosexuelle mit Elektroschocks behandelt“, Augsburger Allgemeine, 21.07.2014.

 

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