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(Zu) späte Gerechtigkeit: Jugendlicher wurde 18 Jahre nach Exekution für unschuldig befunden

Höheres Volksgericht, hier in der nordöstlichen Provinz Liaoning. © Ccming, via Flickr

Der mit 18 Jahren hingerichtete Huugjilt wurde im Dezember 2014 vom Höheren Volksgericht der Inneren Mongolei für unschuldig erklärt. 1996 soll er angeblich eine Frau auf einer öffentlichen Toilette vergewaltigt und ermordet haben. Nun wird ein Serienvergewaltiger, der die Tat 2005 gestand, mit dem Tode büßen. Huugjilts Eltern erhalten eine Entschädigung von rund 276.000 Euro.

 

Wut auf das verantwortliche Justizpersonal

 

Viele Netizens hegen besondere Verachtung gegen die damaligen Gerichtsbeamten, auch, weil auffallend wenig Informationen über sie bekannt sind. Es wird angenommen, dass sie sich vor einer Stellungnahme drücken wollen. So erhält Weibo-Mitglied „Linyang yrin“ für ihren Kommentar zu einem Post von CCTV mehrere hundert Likes.

 

Das Gerichtspersonal von damals…Selbst wenn ihre Leben geschützt werden sollen, sollte man ihre Namen veröffentlichen. Sie sollten  sich entschuldigen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. (…) Sind die damaligen Beamten denn so etwas Besonderes? Sagt man nicht, vor dem Gesetz seien alle gleich? (…) Haben sie denn nicht einen Funken Reue in ihrem Herzen? Haben sie nicht einmal den Mut, ihren Fehler zuzugeben????当年的审判人员呢 哪怕要保他的命也应该把名字公布出来再赔偿道歉追究责任吧 (…) 当官的就这么了不起吗 不是说法律面前人人平等吗 (…) 自己都没有一丝悔过之心吗 连承认错误的勇气都没有????

 

Folgenschwerer Justizirrtum

 

Zum Tod eines Unschuldigen kommt, dass der eigentlich Schuldige jahrelang auf freiem Fuß war. Der Serienvergewaltiger – diesen Februar nun ebenfalls zum Tode verurteilt – tötete zwischen 1996 und seiner Festnahme 2005 mutmaßlich zehn Frauen. Hierzu fällt Netzbürger „-Y-YingTEER“ ein:

 

Scheiße, diese Bestie hat in über zehn Jahren so viele Mädchen vergewaltigt und getötet. Und ein guter Mensch ist für ihn so früh gestorben. Diejenigen, die deswegen schnell ihre Beamtenkarriere vorantreiben konnten, sollte man herauszerren und standrechtlich erschießen!妈的这畜生10多年奸杀了那么多女孩子 好人却代替他早早受死 那些因为这件事情飞黄腾达的就应该拉出来枪毙!

 

Anscheinend wurde Huugjilt Opfer einer nationalen Kampagne, in der zügig und hart gegen Kriminelle vorzugehen war. Die Arbeitsleistung der Behörden wurde damals in der Anzahl der gelösten Fälle gemessen. Besonders tragisch: Huugjilt fand laut Medienberichten die Leiche des Mädchens und meldete den Fall überhaupt erst. Weibo-User „Kommilitone Xu Wenbin“ bezieht sich in seinem Kommentar auf Mitstreiter „Sky-Keplers“ hierauf:

 

Ein jungesLeben erscheint in den Händen von euch Gesetzesvertretern so schwach und nachgiebig, so zerbrechlich. Um eurer Beamtenlaufbahn willen erzwingt ihr unter Folter ein Geständnis, macht aus einem Informanten innerhalb von nur 62 Tagen einen Mörder und vollzieht die Exekution. Ich denke, viele Menschen sind darüber traurig! Wo ist denn da die so oft zitierte Gerechtigkeit der Justiz? Die Unschuld wurde nun zwar auf dem Papier zurückgegeben, aber wer kann ihm sein Leben zurückgeben?一条鲜活的生命在你们执法人员的手中显得是那么不堪一击,那么脆弱。你们为了仕途,严刑逼供,把一个报案人只用了62天的时间办成了一个杀人犯并执行了枪决,我想,很多人都会感到悲哀!常常挂在嘴边的司法公正又在哪里?现在虽然还了呼格一个清白,但他的生命谁又能还回来?

 

Entschädigung nach 18 Jahren – Eine Farce?

 

Eine große Zahl von Netizens fragt aufgebracht, was die finanzielle Entschädigung denn jetzt noch bringe, immerhin werde Huugjilt davon auch nicht mehr lebendig. Überhaupt stamme das Geld aus Steuerzahlungen. Internetuser „Sich entspannt die gefallenen Blüten anschauen-Evakommentiert den Post der Plattform Sina folgendermaßen:

 

Ein Leben kann nicht zurückgeholt werden. mit noch so viel Geld kann man ein junges Leben nicht wieder zurückkaufen! Aber das Geld muss das Gerichtspersonal bezahlen, da kann man nicht die Steuerzahler zur Kasse bitten!! 生命是不可再生的,再多的钱也买不来年轻的生命!但这些钱要让那些办案人员、法院和检察院的人出,不能让纳税人买单!!

 

Auch Netzbürger „Zheng Jiaqin“ wendet sich in seiner Antwort auf einen Sina-Post zynisch an die Verantwortlichen.

 

Ich gebe dir eine Million 40 Tausend Yuan und töte dich, dann lasse ich deine Angehörigen für über 10 Jahre die Verachtung einer Mörderfamilie durchleiden, in Ordnung?我给你104万毙了你,再让你家人忍受10几年的杀人犯家庭鄙视,可以?

 

Zeichen für den Weiterausbau der Rechtsstaatlichkeit in China? 

 

Für einige Netizens beweist die Wiederaufnahme des Falls jedoch auch, dass sich das chinesische Rechtssystem auf dem richtigen Weg befindet. Auf einen Sina-Post entgegnet „Fei Feiyu“ auf Weibo:

 

Das diesmalige rechtmäßige Wiederaufnahmeverfahren hat für ähnliche Fälle einen guten Anfang gemacht. Ich hoffe, alle Fälle, (in denen ein) Justizirrtum (geschehen ist) können zur Ruhe gelegt werden!这次依法再审给同类案件都开了一个好头,希望所有的冤错案都能得到平复!

 

Internetuser „Tian Belle 328antwortet auf einen Post derselben Plattform und wundert sich gar über die Ehrlichkeit des Justizpersonals.

 

Das höhere Volksgericht der Inneren Mongolei nimmt einen Fall wieder auf, den es selbst verhandelt hat. Ist das nicht, wie vor dem gesamten Volk einzugestehen, dass man einen Fehler gemacht hat? Dieser Geist gefällt mir. Plötzlich habe ich wieder Glauben an die rechtsbasierte Gesellschaft.内蒙高院自己判了的案子自己又再审,这不是当着全国人民的面说自己错了?这种精神可以的啊,我突然对法治社会又有信心了

 

Tatsächlich ist das Wiederaufnahmeverfahren ein positives Zeichen der chinesischen Justiz. Sie könnte auch durchaus bereit sein, die damaligen Entscheidungsträger zur Rechenschaft zu ziehen. Sonst wäre der Fall möglicherweise gar nicht erst wieder aufgenommen worden. Der wahre Mörder legte Ende Februar Berufung gegen sein Todesurteil ein.

 

 

 

Zum Weiterlesen

 

Yong Yang: „Verurteilter nach sechsjähriger Haft in Todeszelle freigesprochen”, Stimmen aus China, 13.09.2014.

 

Wiederaufnahmeverfahren für umstrittenen Mordfall von 1996 beginnt“, german.china.org.cn, 21.11.2014.

 

Ausbau des Rechtsstaates und ein Fehlurteil vor 18 Jahren“, german.china.org.cn, 18.12.2014.

 

Fall Huugjilt: Wahrer Täter zum Tode verurteilt“, german.china.org.cn, 10.02.2015.

 

Xinhua Insight: Innocence announced 18 years after man executed for rape, murder“, china.org.cn, 15.12.2014.

 

Convicted murderer files for appeal“, china.org.cn, 26.02.2015.

 

Sehr ähnlicher Fall in der Provinz Shandong: „China rollt 19 Jahre nach Exekution Mordfall erneut auf“, german.china.org.cn, 24.12.2014.

 

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