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27.000 Flüsse verschwunden – Erster Wasserzensus in China bringt dramatische Erkenntnis

Der Jangzi – Der längste Fluss Asiens © Wikipedia

Der am 26. März 2013 veröffentlichte Wasserzensus sollte ein Erfolg werden. Doch nun kam das große Erwachen: Über die Hälfte der chinesischen Flüsse sind nicht mehr da. Die Internetgemeinde reagiert entsetzt. Die Regierung will vermehrt auf nachhaltige Entwicklung setzten.

 

Bisher galt China als eines der Länder mit dem größten erneuerbaren Süßwasservorrat weltweit. Die größte nationale Erfassung von Wasserkörpern korrigiert diese Einschätzung nun. Aus dem am 26. März 2013 vom chinesischen Ministerium für Wasserressourcen veröffentlichten Wasserzensus ist ersichtlich, dass von den geschätzten über 50.000 Flüssen der 1990er Jahre nicht einmal mehr die Hälfte durch Chinas Landschaften fließt. Die Anzahl der Flüsse ist jährlich um 1.000 auf 22.909 geschrumpft. Neben ausbleibenden Niederschlägen vor allem im Südwesten Chinas, wird Raubbau an der Natur dafür verantwortlich gemacht.

 

Der Wasserzensus – ein Erfolg?

 

Wegen der Erstmaligkeit, der Größenordnung und der gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse wurden die Ergebnisse der 2011 durchgeführten Untersuchungen von staatstreuen Medien als „Erfolg“ betitelt. Am 27. März führte die regierungsnahe Volkszeitung Renmin Ribao mit dem Stellvertreter des Ministers für Wasserressourcen, Jiao Yong, ein Interview. Er erwähnt nicht die Umweltproblematik, sondern spricht eine ihrer Ursachen an – die steigende Nachfrage nach Wasser.

 

Die Errungenschaften der Generalstudie zeigen, dass die Entwicklung der chinesischen Wasserressourcen riesige Erfolge erzielt hat. Was die Grundversorgung von Städten und Dörfern angeht, so haben wir unsere Aufgabe fast erfüllt. Von der Wasserinfrastruktur profitieren Hunderte von Millionen Menschen. Verglichen mit der Schnelligkeit der wirtschaftlichen Entwicklung und den Ansprüchen, die aus dem Anstieg des Lebensstandards resultieren, gibt es allerdings noch viele Schwachstellen was die Wasserressourcen angeht.从普 查成果看,我国水利发展取得巨大成就,基本形成了覆盖城市乡村、功能较为齐全、惠及亿万群众的水利基础设施体系,但与支撑经济社会快速发展和提高人民群众 生活水平的需求相比,水利依然存在很多薄弱环节。

 

Der Blogger „Friedlich Aber Anders“ reagiert hingegen kritisch und besorgt auf Überschriften, die von „Erfolg“ sprechen. Er kommentiert seine Sammlung an Nachrichtenartikeln folgendermaßen:

 

Diese Nachrichten sollten die Welt bewegen und erschüttern. Vom gesunden Menschenverstand aus gesehen, ist es egal, ob du ein normaler Bürger oder ein hoher korrupter Beamter bist. Lassen wir auch für den Moment beiseite, dass es sich um eine große nationale Angelegenheit handelt. Alle sollten wissen, dass dies großen Einfluss auf unsere persönlichen Interessen und die unserer Nachkommen hat. (…) Wir haben uns zwar schon daran gewöhnt, dass aus einer Beerdigung eine Hochzeit gemacht wird. Dass durch die Generaluntersuchung herausgefunden wurde, dass es die 27.000 Flüsse nicht mehr gibt, wird nun als Erfolg bezeichnet. Das macht uns sprachlos. Wenn noch einmal 20 Jahre vergehen, was wird dann mit den verbliebenen 22.909 Flüssen sein? Was wird dann mit China sein? Was wird dann mit diesem Volk sein?这个讯息应该已经“动地”而会“惊天”的,对于有一般常识者来说,无论你是平民百姓还是高官贪官,且不说这事关涉国家大事,也都应知道这是直接关系到切身的、子孙的利益的。(…)虽然已习惯了一以贯之的将丧事作喜事办,这2.7万条河流被“普查”发现整没了,竟也成了“成果” 的 “取得”,还是让人震惊的说不出话来。再过二十年,剩下的22909条河流会怎么样?中国怎么了?这个民族怎么了?

 

Handlungsbedarf für die Regierung

 

Die Dringlichkeit dieser Fragen ist bei den höchsten Politikern des Landes angekommen. Ministerpräsident Li Keqiang versicherte, dass er während seiner Amtszeit verstärkt auf nachhaltiges Wachstum setzen wolle. Er betonte Ende März wieder, dass China die Umwelt im Laufe seiner Modernisierung schützen müsse.

 

Doch die Vorgaben von ganz oben kommen oft nicht an. Obwohl seit vielen Jahren von Umweltschutz gesprochen wird, berichten Netizens von verdreckten Flüssen. So lautet der Kommentar der Bloggerin „Land der blühenden Blumen“:

 

In meiner Heimat ist der einst klare zu einem stark stinkenden Fluss geworden. Als Kind haben wir im Fluss gebadet. Jetzt stinkt es so, dass man es nicht aushält. Was ist passiert? Korrupte Beamte und skrupellose Geschäftsmänner hinterlassen immer wieder Schlachtfelder und die Berge und Flüsse weinen.老家的一条清澈之河现在完全臭河了,儿时在河里洗澡,现在是臭不可闻。发展了什么?全给贪官奸商折腾得百孔千疮,山河大地在哭泣啊

 

Mit dem Wasserzensus hat China nun statistische Gewissheit, dass die vielen Einzelbeobachtungen von dreckigen und versiegenden Flüssen ein nationales Problem sind. Welche Schlüsse es daraus zieht, wird die nächste Erhebung zeigen.

 

 

 

Zum Weiterlesen

 

Marie-Luise Abshagen: „Maritime Verschmutzung – Ein globales und zugleich chinesisches Problem“, Stimmen aus China, 25.7.2012.

 

Christina Maags: „Dämme in China – von Flutkontrolle zu Wegen aus der Wasserknappheit“, Stimmen aus China, 18.7.2012.

 

 

Kategorien: Gesellschaft, Politik, Umwelt, Tags: , , , , , . Permalink.

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