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Selbstverbrennung in Tibet – Mönche zünden sich für religiöse Freiheit an

Als ein tibetischer Mönch sich im Februar 2012 selbst entzündet gerät die tibetische Unabhängigkeitsbewegung erneut ins Visier der internationalen Medien – wie reagieren chinesische Internetnutzer darauf? Eine Zusammenfassung chinesischer Blog-Aussagen von Christina Maags.

Der tibetische Mönch beklagte eine strenge Beschränkung religiöser Rechte in China und forderte deshalb ungehinderte Religionsausübung und eine Rückkehr des Dalai Lama nach China. Die chinesische Regierung hingegen beschreibt den Mönch als Deserteur und Separatist. Obwohl die Polizei eingegriffen hat und die Provinz Sichuan stark kontrolliert, häufen sich seit diesem Vorfall die Proteste tibetischer Mönche. Selbstentzündungen tibetischer Mönche sind keine Einzelfälle in der an Tibet grenzenden Provinz Sichuan. Gerade in dieser Region kommt es häufig zu Protesten und Forderungen nach Religionsfreiheit.* In den chinesischen Blogs ist bislang nur eine kleine Anzahl von Aussagen zu diesem Thema vorzufinden. Diese sind zumeist von einseitigem Charakter und negieren eine Beschränkung der Religionsfreiheit in China.

Viele Netizen beziehen sich auf offizielle Regierungsdarstellungen, welche die Proteste kritisieren. Der Mikroblog der Blogger Kong Yi und Tan Jingjing basiert auf Informationen der regierungstreuen „Xinhua“ Nachrichtenagentur und zitiert den Premierminister Wen Jiabao:

我们注重保护西藏的生态环境和传统文化,尊重和保护藏族群众信仰宗教的自由。他指出,任何人企图煽动少数僧人采取激烈的行动,以破坏西藏的稳定,是不利于藏族地区的发展和藏族人民的利益的,也是不得人心的。[…] 必须要认清达赖集团妄图在涉藏问题上制造国际影响,借以依靠国际反华势力参与西藏事务,从而掀起国内政治混乱,实现其政治目的的险恶用心。

Wir haben den Schutz der tibetischen Umwelt und der traditionellen Kultur ernst genommen und respektieren und schützen die Glaubensfreiheit der Tibeter. Er [Wen Jiabao] zeigt auf, dass jeder, der versucht eine kleine Gruppe der Mönche dazu zu bewegen stürmische Aktionen zu unternehmen, die Stabilität Tibets zerstört. Dies ist nicht vorteilhaft für die Entwicklung der tibetischen Region und die Interessen der Tibeter. Ferner gibt es hierfür keine breite Unterstützung in der Bevölkerung.  […] Man muss klar erkennen, dass die Dalai Clique** vergeblich versucht das Tibet-Problem in einen internationalen Kontext zu stellen. Sie nutzen die internationalen anti-chinesischen Kräfte um an den Angelegenheiten der Tibeter teilzunehmen. Dadurch entfachen sie innenpolitisches Chaos, was das eigentliche böse Ziel ihrer Politik ist.

Wie in diesem Microblog wird oft die Rolle des Westens betont. Der Mikroblogger Yiduo geht in seinem Blog der Frage nach ob es überhaupt ein „Tibet-Problem“ gibt. Seiner Meinung nach ist das „Tibet-Problem“ nur eine Konstruktion des Westens um Druck auf China auszuüben. In seinem Blog schreibt er:

在达赖集团看来,如果没有“西藏问题“就没有搞“藏独“的理由了,也就得不到以美国为首的西方政治上的支持和钱财上的赏赐了。因此,必须死死抱住“西藏问题“不放,并使之国际化。更远的不说,仅从2008年策划组织煽动“314″事件到干扰北京奥运火炬传递,再到去年策动四川藏区几个僧人自焚,无非是想证明“西藏问题“存在,以及自己对西方一些势力的使用价值存在。这里还必须说明,达赖集团所谓“西藏问题“并不仅仅是指我国西藏自治区这个范围,还要包括四川、青海、甘肃、云南四省的藏区,总面积约250万平方公里。

Wenn es keine „Tibet-Frage“ gibt, dann gibt es aus der Sicht der Dalai Clique keine Begründung für die „tibetische Unabhängigkeit“. Ohne dies werden sie auch keine Auszeichnung durch Unterstützung und Finanzierung hauptsächlich von Seiten der USA und anderen westlichen Regierungen erhalten. Deshalb sollten wir uns nicht an die „Tibet-Frage“ klammern und diese internationalisieren. Ganz davon abgesehen, dass die Vorfälle beginnend mit den geplanten und organisierten Vorfällen am 14. März,*** der Störung des olympischen Fackellaufs 2008 bis hin zu den Mönchen welche sich im 2011 selbstentzündeten, nichts weiter waren als der Wille die Existenz der „Tibet-Frage“ zu beweisen und den eigenen Nutzwert für die westlichen Mächten zu belegen. Hierbei sollte man sich außerdem im Klaren sein, dass bei der sogenannten „Tibet-Frage“ der Dalai Clique nicht die Autonome Region Tibet gemeint ist, sondern auch tibetische Regionen aus den vier anderen Provinzen Sichuan, Qinghai, Gansu und Yunnan. Insgesamt sind das 2,5 Millionen Quadratkilometer.

Der chinesische Blogger Zhe Wenqun stellt in seinem Blog ebenfalls die Existenz eines „Tibet-Problems“ in Frage. Seiner Meinung nach ist es nur eine sehr geringe Minderheit der Mönche, welche diese extreme Form des Protests unterstützt. Im Gegenteil argumentiert er, dass die meisten Mönche die Selbstentzündung erzürne:

我对四川个别地方发生的自焚事件感到震惊,对年轻生命的丧失感到非常悲痛。今年9月,我曾去四川甘孜实地调查,那里的僧俗民众对于自焚的幕后煽动者和操纵者充满愤怒。自焚事件的发生,不论是与当地群众对于社会稳定的期望,还是与藏族群众文化理念和藏传佛教的教义都是完全对立的。达赖集团把四川发生的自焚事件描绘为藏民族处于“悲惨的境地“,实际上是恶意的炒作和蓄意制造社会紧张空气。自焚事件涉及四川的4座寺庙,而西藏和其他藏区共有藏传佛教寺庙3542座,僧尼人数共14万。所以,绝大多数的僧尼没有参与这个事情,而且是采取谴责态度的。如果说有谁陷于“悲惨的境地“,那恰恰是达赖集团自己。

Ich bin bestürzt über die Selbstentzündungen, die sich in Sichuan und anderen Regionen ereignet haben. Gegenüber denen, die ihr jugendliches Leben verloren haben, fühle ich sehr große Trauer. In diesem Jahr im September [2011] bin ich nach Sichuan und Gansu gefahren um an Ort und Stelle Recherche zu betreiben. Die dortigen Mönche sind erfüllt mit Wut über die Agitatoren und Manipulatoren, welche hinter den Selbstentzündungen stecken. Die Selbstverbrennungen stehen sowohl im Gegensatz zu der Hoffnung der lokalen Bevölkerung auf Stabilität als auch zu den kulturellen Vorstellungen der Tibeter und zu den Glaubensinhalten des tibetischen Buddhismus. Die Dalai Clique schildert den Vorfall der Selbstentzündung als Ausdruck des „traurigen Umstands“ der Tibeter, aber in Wirklichkeit ist es eine böse Manipulation und erzeugt vorsätzlich eine gesellschaftlich angespannte Atmosphäre. Die Selbstentzündungsvorfälle beziehen sich auf vier Tempel in Sichuan. Dabei gibt es insgesamt 3542 tibetisch-buddhistische Tempel in ganz Tibet und anderen tibetischen Regionen sowie insgesamt 140.000 Mönche. Also hat der Großteil der buddhistischen Mönche und Nonnen nicht an dieser Sache teilgenommen und zudem eine kritische Haltung eingenommen. Wenn sich jemand in einen „traurigen Umstand“ verstrickt hat, dann ist es die Dalai Clique selbst.

In einem weiteren Blog wird auf die Unschuld der Mönche an sich hingewiesen, welche in einem internationalen Machtspiel verstrickt seien. Der Blogger bittet darum die Mönche nicht mehr in internationale Machenschaften zu involvieren und sieht eine Verbindung der Vorfälle zu der religiösen Falungong-Gruppierung. Er schreibt:

把国际大政治压在藏区年轻僧人们的头上,是不公平,也是残酷的。他们没能力分辨善恶在国际政治引力场中被乔装打扮的面孔。他们念经的还是原来的老地方,他们想象不出他们已被遥远的政治GPS定位瞄准。请达赖集团放过那些信任了他们的年轻僧人,他们的生命比“英雄“的称号更宝贵。请别把他们的鲜血当成你们延长在西方政治生命的补养品。中国境内上一轮自焚事件发生在法轮功信众之间,即使在西方,它也被很多人看成是邪教。希望达赖集团别另立一支,堕落成法轮功一样的邪教派。随着时间制造视距,广大藏传佛教的信徒们终会看清达赖喇嘛今天演的究竟是什么戏。他的确是历史上最不务正业的一个达赖。

Den großen internationalen politischen Druck auf die jugendlichen Mönche in den tibetischen Regionen abzuladen ist unfair und grausam. Sie haben nicht die Fähigkeit das Gute und das Böse hinter den verstellten Gesichtern in dem Gravitationsfeld der internationalen Politik zu unterscheiden. Sie können sich nicht vorstellen, dass ihre Position bereits von einem weit entfernten Regierungs-GPS-System erspäht wurde. Ich bitte die Dalai Clique die ihnen mit Vertrauen zugewandten jugendlichen Mönche nicht zu benutzen. Ihr Leben ist wertvoller als die Bezeichnung „Held“. Ich bitte sie (die Clique) das frisches Blut der Mönche nicht als Aufbaupräparat für die Verlängerung des Lebens der westlichen Politik zu gebrauchen. Vorfälle der Selbstentzündung in Chinas Inland sind [auch] unter den Anhängern der Falungong geschehen. Dass hat dazu geführt, dass sie auch im Westen von vielen Menschen als Kult betrachtet werden. Ich hoffe dass die Dalai Clique nicht auf Abwege gerät und zu einer Kult-Gruppe wie die Falungong degeneriert. Im Lauf der Zeit und mit etwas Abstand werden die meisten Anhänger des tibetischen Buddhismus erkennen, was für ein Spiel der Dalai Lama da treibt. Kein anderer Dalai Lama hat in der Geschichte jemals so seine Amtspflichten verletzt wie dieser.

Blogger, welche die tibetische Bewegung unterstützen, beurteilen die Selbstentzündung deutlich anders. Die tibetische Bloggerin Tsering Woeser ruft die Mönche dazu auf sich nicht zu verbrennen, sondern weiterzukämpfen. Sie schreibt:

这个世界不能继续无视在藏地日益增加的自焚者名单。并且,我要重申在《吁请藏人再勿自焚,压迫再大也要留住生命》中的呼吁:我们请求,从现在开始,不要再自焚。每一个藏人都要珍惜生命,坚强地活下来。再大的压迫之下,我们的生命都是重要的,都是需要留住的。自焚本身改变不了我们的现实,恨我们的人私下诅咒“烧光才好“,改变现实是靠我们活着去奋斗和推动,是靠活着的我们去做水滴汇成大海的努力,是靠千千万万不死的藏人才能传承我们民族的精神和血脉!

Die Welt kann nicht weiterhin die Augen vor der immer länger werdenden Liste der Selbstverbrennungen, die auf tibetischem Boden stattfinden, verschließen. Ich möchte betonen dass „Tibeter sich nicht verbrennen sollten da das Leben trotz der großen Unterdrückung bewahrt werden muss“. Wir bitten euch, von jetzt an dürft ihr euch nicht (mehr) verbrennen. Jeder Tibeter muss das Leben schätzen und entschlossen und stark weiterleben. Trotz der großen Unterdrückung, ist unser aller Leben sehr wichtig und muss bewahrt werden. Sich selbst zu verbrennen verändert nicht unsere Realität. Menschen, die uns hassen verfluchen uns heimlich: „Ihr sollt verbrennen“. Die Realität zu verändern heißt sich auf diejenigen zu stützen die lebendig kämpfen und (unsere Sache) fördern und die vielen Tropfen unseres Fleißes in ein Meer verwandeln. Wir sollten uns auf die Fähigkeit der vielen lebendigen Tibeter verlassen welche den Geist und das Blut unseres Volks weitergeben.

______

* Die an Tibet grenzende Provinz Sichuan gehört zum tibetischen Kulturraum. Aus diesem Grund leben viele tibetische autonome Kreise dort, die ihre alten Traditionen und Religionen pflegen. Obwohl die Religionsfreiheit laut Verfassung gewährleistet wird, erfahren viele Religionen, wie die der Tibeter, Repressionen, starke Überwachung und Kontrolle durch die Regierung.

** Die chinesische Regierung bezeichnet den Dalai Lama und seine Exilregierung in Dharamsala, Indien oft als „Dalai Clique“. Sie wirft dem Dalai Lama vor eine Verschwörungstaktik zu verfolgen, die die Tibeter dazu bewegen soll sich der tibetischen Unabhängigkeitsbewegung anzuschließen und die „Herrschaft“ des Dalai Lama wiederherzustellen.

*** Nachdem tibetische Mönche am 10. März 2008, anlässlich des 60. Jahrestages der chinesischen Besatzung in Tibet, begannen friedlich zu demonstrieren, eskalierte die Situation am 14. März 2008 in antichinesische Gewalt wobei mehrere Tibeter zu Tode kamen. Weitere Informationen finden Sie in dem Artikel des Asienhauses „Die Kontroverse über das Olympialand China„.

Zum Weiterlesen:

China ‚confirms‘ death of self-immolation Tibet nun„, weiterführender Artikel über eine der Selbstverbrennungen im Februar 2012 (Englisch)

Weitere Informationen über Selbstverbrennungen tibetischer Mönche, veröffentlicht von einer Internationalen Kampagne für Tibet (Englisch)

 

Foto: Viviane L. Fluck

 

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