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Selten Unnachhaltig – Seltene Erden und Umweltverschmutzung in China

Seltene Erden werden in Windanlagen, Hybrid-Autos, Laptops und vielen weiteren Hochtechnologie-Produkten verbaut. In den nächsten Jahren sollen 20% bis 25% der Windkraftanlagen mit leistungsstarken Magneten aus dem Seltenerd-Metall Neodym ausgestattet sein. China produziert derzeit 97% der weltweiten Seltenen Erden, davon allein fast 50% in der Mine Bayan Obo (mongolisch für wunderbarer Berg des Reichtums) in der Inneren Mongolei. Der restliche Abbau findet in den Provinzen Sichuan, Jiangxi und Guangdong statt. Doch Extraktion und Verarbeitung der Seltenen Erden führen zu massiven Umweltbelastungen. Inzwischen handelt die Zentralregierung, doch viele Probleme sind noch ungelöst. Ein Beitrag von Jost Wübbeke und Roman Serdar Mendle. 
Lesen Sie zum Thema auch den Artikel „Chinas seltene Erden im Sonderangebot“.


Auffangbecken


Im Westteil der innermongolischen Stadt Baotou werden die Seltenen Erden aus Bayan Obo weiterverarbeit. Abfallstoffe des Verfeinerungsprozesses wie giftige Chemikalien und radioaktive Substanzen landen in einem riesigen Auffangbecken, dem „See der Seltenen Erden“. In den vergangenen Jahren haben sich vermutlich 150 Millionen Tonnen Abraum dort angesammelt. Laut Blogger Fanling ist das Auffangbecken ein Paradebeispiel für Ressourcenverschwendung und Umweltverschmutzung:
„Durch den langjährigen Eisenabbau hat sich ein Abraumdamm von 150 Millionen Tonnen Gesamtmenge angesammelt. Darunter sind 9,3 Millionen Tonnen Seltene Erden und 90.000 Tonnen Thorium (siehe unten). Damit hinterlassen wir nachfolgenden Generationen eine neue Mine, die wir erhalten sollten. Vor allem sollten wir verhindern, dass die Vorkommen durch Erosion in der Umgebung verstreut werden. Der Seegrund ist nicht an allen Stellen gleich tief. Ein Teil des pulverigen Abraumes ragt aus dem Wasser heraus und wird vom Wind zerstreut, wodurch er für die Gewinnung verloren geht und die Umwelt verschmutzt.“ Ohne Sickerungsdichtung wird auch das Grundwasser radioaktiv und Chemisch verschmutzt. Der See liegt 12 km vom Stadtzentrum Baotous und 10 Kilometer vom Gelben Fluss entfernt (siehe Karte).


Thorium


Bei der Produktion von Seltenen Erden fällt häufig auch das radioaktive Thorium als Nebenprodukt an. Weil das Thorium in den gleichen Mineralien wie Seltene Erden zu finden ist, aber bisher nicht verwendet wird, wird es als Abfallprodukt der Erzverarbeitung in das Auffangbecken geleitet. Die Auswirkungen sind deutlich spürbar: zwischen 1993 und 2005 sind im Dorf Dalahai 66 Menschen an Krebs gestorben. Seit 2006 sind in dem 1700-Einwohner-Dorf 14 Menschen gestorben, davon 11 an Krebs.

Doch Thorium wird nicht nur als radioaktive Gefahr gesehen. Wenn in Zukunft Thorium zur Erzeugung von Atomenergie eingesetzt werden kann, könnten die Vorkommen in dem Auffangbecken als Thorium-Quelle dienen. Wie Blogger Fanglin erklärt, ist „die heutige Technik zur Verarbeitung und Extraktion von Thorium und seltenen Erden bereits sehr ausgereift. Für je 50.000 Tonnen Seltener Erden können 300 Tonnen Thorium mit etwa 10-20.000 Yuan Erzeugungskosten pro Tonne gewonnen werden. Das könnte als strategische Reserve angelegt werden und würde zudem noch die Umwelt schützen. Sobald die Technik zur Umwandlung von Thorium in Uran-233 reif ist, kann daraus Nukleartreibstoff gewonnen werden. Uran kostet derzeit auf dem Weltmarkt 13.000 Dollar pro Tonne, daher wäre die Investition in den Thoriumsabbau höchst lukrativ. Deswegen sollte China etwa 3-6 Millionen Yuan für die Anlage dieser strategischen Reserven aufbringen.“


Illegaler Abbau und Umweltverschmutzung Jiangxi


Doch nicht nur in Bayan Obo und Baotou sind die Umweltauswirkungen spürbar, wie Blogger Baoluo beschreibt: „Im ‚Königreich der Seltenen Erden‘, in Ganzhou in der Provinz Jiangxi, wird wegen der geringen Kontrollen der lokalen Behörden im großen Stil illegaler Abbau von Seltenen Erden betrieben. Der Abbau wird größtenteils mit primitven manuellen Methoden durchgeführt. Das verursacht Erosion und Grundwasserverschmutzung und macht Ackerland unbrauchbar. Während die ansässigen Bauern sich woanders nach Ãœberlebensmöglichkeiten umsehen müssen, machen die Regierungsbeamten und Firmen dadurch den großen Reibach. Im Longnan-Distrikt von Ganzhou gibt es relativ große Vorkommen von Seltenen Erden. Die Bäume dort wurden alle abgeholzt. Jetzt wächst dort nicht einmal ein Grashalm mehr. Statt dessen gibt es nur noch zerkraterten, nackten Boden, überzogen mit einem Gewirr aus weißen Plastikrohren. Ãœber 4000 Abbaustätten gibt es in Ganzhou. ‚Wie sollen denn Durchschnittsbürger von sowas wie Seltenen Erden profitieren können? Die Minenbetreiber kommen immer von oben!’sagt Liu Heng, ein 38-jähriger Taxifahrer und ehemaliger Bauer. Er musste sich eine neue Arbeit suchen, nachdem die Lokalregierung sein Land an die Abbaugesellschaft verpachtete. Im benachbarten Quannan-Distrikt werden Flüsse durch die örtliche Wolframmine und die Chemikalien, die zur Produktion von Seltenen Erden eingesetzt werden, verschmutzt. Die 60-jährige Liao Wencui sagt, dass sie schon seit fast 10 Jahren keinen selbst angebauten Reis mehr gegessen hat: ‚Früher haben wir das Wasser aus dem Fluss getrunken und zur Bewässerung unserer Felder genutzt. Das geht heute nicht mehr.‘ Und der Fernfahrer Gong Zhi sagt noch etwas direkter: ‘Wenn es nicht besser wird, ziehe ich mit meiner Familie nach Guangdong!'“


Sackgasse Umsiedlungen?


Nach eigenen Angaben zahlt die Betreiberfirma Baogang der staatlichen Mine in Bayan Obo jährlich für Umweltschutzmaßnahmen am Auffangbecken mehr als 40 Millionen Yuan. 2008 wandte die Stadt Baotou und Baogang 500 Millionen Yuan auf, um fünf Dörfer in der Umgebung umzusiedeln. Doch die Bewohner des Dorfes Xinguang (siehe Karte) weigern sich, in die neuen von der Regierung gestellten Apartments umzuziehen: „obwohl sie hier die Verschmutzung weiter ertragen müssen, würden sie bei einer Umsiedlung ihre paar Äcker noch verlieren und hätten überhaupt keine Lebensgrundlage mehr. In einem gemeinsamen Brief an die Stadtväter äußern sie, dass die Umsiedlungskompensationen zu niedrig sind und die Kompensationen für die Verschmutzung für das Jahr 2009 noch nicht ausgezahlt wurden“

 

Raum für Verbesserung


Inzwischen hat das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie einen Stop der Lizenzvergabe für neue Minen verhängt. Das Umweltministerium hat im März 2011 neue, strengere Standarts für den Abbau von Seltenen Erden erlassen. Für bestehende Unternehmen gelten diese aber erst ab 2014. Dennoch gibt es noch weitere Verbesserungsmöglichkeien. Blogger Li Zongxin schlägt vor, die zwei derzeitigen Abbaustellen im innermongolischen Bayan Obo still zu legen, damit sich die Umwelt dort regenerieren kann. Das wäre selbst ohne Arbeitsplatz- und Umsatzverlust machbar, wie der Netizen erklärt: Die Betreiberfirma Baogang produziert in den zwei Abbaustellen, der Haupt- und der Ostmine. Es gibt aber noch die Westmine, eine dritte Abbaustelle, die wesentliche Seltenerd-Reserven birgt. Die Mineralienausbeute des Abbaus könnte zudem mit einem verbesserten Verarbeitungsverfahren um 20% gesteigert werden, so dass auch in der Westmine der gleiche Produktionsoutput erreicht werden kann wie in der Haupt- und Ostmine. Die Bergbaufirma Baogang habe die Westmine bisher nicht gepachtet, so der Blogger, weil die Seltenerd-Vorkommen dort über ein viel größeres Gelände verteilt sind als auf den anderen beiden Abbaustellen. Da die anfallenden Pachtabgaben nach Quadratkilometer berechnet werden, ist die Pacht der Westmine wirtschaftlich unattraktiv. Statt dessen findet dort unkontrollierter illegaler Bergbau statt. Wenn der Staat statt Pachtgebühren pro Quadratkilometer Abgaben pro Tonne abgebauter Seltener Erden verlangen würde, würde der legale Mineralabbau dort lukrativ werden und die anderen Abbaustellen könnten stillgelegt werden. Das wäre ökologisch und ökonomisch nachhaltiger.

 

Satellitenkarte von Baotou


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15 Antworten zu Selten Unnachhaltig – Seltene Erden und Umweltverschmutzung in China

  1. avatar Kai sagt:

    Ein sehr informativer Artikel, vielen Dank dafür! Ich weiss nicht ob es an meinem Browser liegt, aber euer Spenden-Link funktioniert bei mir leider nicht. Ich bekomme jedesmal eine 404 Error Meldung wenn ich ihn aufrufe.

  2. avatar roman sagt:

    Lieber Kai,

    es freut mich sehr, dass Ihnen der Artikel gefällt, und vielen Dank für den wichtigen Hinweis mit den Link-Problemen. Ich habe das unserem Webmaster weitergeleitet. Bei mir funktioniert er allerdings, d.h. es könnte sein, dass es an Ihrem Browser liegt.

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    Vielen Dank und beste Grüße!

  3. avatar Alexander sagt:

    Hallo
    1.Ich muss eine Facharbeit zu diesem Thema schreiben und mir ist aufgefallen, dass sich nur sehr schwer fakten finden lassen. Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand der Statistiken zu diesem Thema besitzt mir diese an alexanderklenke@gmx.de schicken würde.
    2.Ist echt ganz schön heftig was da für ein Schrott fabriziert wird und das obwohl nach Studien aus den Usa es auch Methoden gibt Neodym ohne giftige Chemikalien aus dem abgebauten Boden herauszulösen. Das ist aber relativ uneffizient und den Konzernen schlicht und einfach zu teuer. Zum Glück fängt Australien jetzt an eine eigene Miene zu eröffnen, dann ändert sich die Weltnachfrage und China muss sich besser verkaufen, also auch die Umweltbestimmungen raufsetzen

    Würde mich über jegliche Hilfe freuen
    Alexander

  4. avatar S. sagt:

    Guten Tag zusammen,

    entweder verstehe ich im Text etwas nicht richtig, oder dieses Argument ist Unfug:

    „zwischen 1993 und 2005 sind im Dorf Dalahai 66 Menschen an Krebs gestorben. Seit 2006 sind in dem 1700-Einwohner-Dorf 14 Menschen gestorben, davon 11 an Krebs.“

    Da für den zweiten Zeitraum ein Bezugsdatum fehlt, ist das Argument sinnlos. Nimmt man das Artikeldatum, kommt man auf eine erstaunliche krebsbezogene Sterblichkeitsrate von nur 1,1 pro 1000 pro Jahr. In Deutschland haben wir etwa 2,6. Was macht unsere Medizin nur falsch?

    Viele Grüße,
    S.

  5. avatar Jost Wübbeke sagt:

    Liebe/r S,

    vielen Dank für die Anmerkung. Das Argument selbst halte ich nicht für sinnlos, höchstens ist die Datenlage unsicher. Die Aussage bezieht sich auf einen Artikel (http://www.king-life.cn/news/shuizhixinwen/20101129596.html), der vermutlich aus dem Jahr 2010 stammt. Möglicherweise beruft er sich selbst auf ältere Daten (2009 oder 2008). Damit wäre die durchschnittliche jährliche Krebssterberate höher als von Ihnen errechnet.

    Beste Grüße,

    Jost.

  6. Pingback: Windenergie und Umweltschutz › Mente et Malleo › SciLogs - Wissenschaftsblogs

  7. avatar Wipf Manuel sagt:

    Ich schreibe eine Arbeit über seltene Erden und wäre Ihnen sehr dankbar wenn sie Mir Emailadressen oder hilfreiche Informationen zusenden könnten.

    Danke für Ihre Hilfe.

    Wipf Manuel

    • avatar Informierer sagt:

      Weil sie so selten sind, gibt es auch kaum Informationen darüber. Die Informationen sind noch seltener als die Erden.

      • avatar Viviane Lucia Fluck sagt:

        🙂 ja, die Informationen zum Thema sind tatsächlich rar. Bei #SAC gibt es allerdings hoffentlich bald einen weiteren Artikel zum Thema. Viel Spaß beim Weiterlesen!

  8. Pingback: Baotou: Chinas Hölle auf Erden | Mothers Dirt

  9. Pingback: Ein Fall für Greenpeace: Windräder produzieren Atommüll – NEIN-DANKE

  10. Pingback: Die wahren und atemberaubenden Umweltbelastungen von Wind & Solarenergie – EIKE – Europäisches Institut für Klima & Energie

  11. Pingback: Baotou: Chinas H̦lle auf Erden РColorMag

  12. Pingback: Scheuklappen denken statt wirklicher Umweltschutz - Roger Züger

  13. Pingback: Seltene Erden – das „Öl der Zukunft“

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